: Onanieren mit Kondom
■ Warum uns die Betrachtung Robert van Ackerens und Doris Dörries Betrachtung jenes hängenden Fleischläppchens wirklich nicht interessiert
Renee Zucker
Schreib was Leidenschaftliches, was Giftiges und Bösartiges dagegen“, wünschen die zuständigen Redakteure, und ich muß über den Unwillen hinweg, ein paar meiner heiligsten Gefühle an etwas zu verschwenden, was mein Leben ungefähr so viel berührt wie die Erfindung der laufmaschenfreien Strumpfhose. Die Massage liefern wieder die Medien, allerdings hat die Groteske jetzt ihren denkbar lächerlichsten Akt gefunden: Sie massieren Zombie-Leiber! Herr Müller aus dem Osten hat es mal so erzählt: “...daß Kunst eigentlich immer zu spät kommt (...), wenn es die Wirklichkeit schon gar nicht mehr gibt. Kommerziell wird sie ja immer erst, wenn sie absolut zu spät kommt.“
Für van Ackeren und Dörrie, die umherstreifenden Zombies, gilt das Gleiche wie für das bundesrepublikanische Medienödland, daß nämlich kein Deutscher eine Lüge lang sagen kann, ohne sie zu glauben (Herr Müller zitierte Herrn Hegel), und so glauben die Filmemacher, sie erfüllten komödiantisch kollektive Sehnsüchte (dafür ist das Kino ja eigentlich da), und die Feuilletonisten glauben, daß das wichtig ist und auf Seiten aufgeschrieben werden soll. 'FAZ‘ und 'Zeit‘ ringen sich nach langen Inhaltsangaben, die so belanglos wie die Originale bleiben, mit wortreichem germanistischem Interpretationsgestus zur kümmerlichen Meinungsäußerung durch, das eine sei „orientierungslos“ und „kalt“ oder bediene gar „den kleinen Max“. Einer sagt, in „die Venusfalle“ habe das „Er“ (so sagt man jetzt zu Schwanz) gesprochen und dementsprechend das Kino den Kopf verloren... Das macht diese Filme noch furchtbarer, daß wir jetzt über die Rezensionen auch noch was über das Verhältnis des Rezensenten zu seinem Schwanz 'rüberkriegen - ich und mein Schwanz und meine Geworfenheit ins All, schicksalslos wie der schlafende Säugling - aber wollen wir das wirklich wissen? Nein - und nochmals nein!
Was van Ackeren mit seinem Schwanz normalerweise tut, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich glaube, er schraubt ihn meistens ab und steckt ihn durchs rechte Ohr in den Kopf, in der Hoffnung, das würde sein Gehirn animieren - hat bis jetzt noch nicht geklappt. Wie wär's mal mit der anderen Seite?
Aus frauenfreundlichen Gründen möchte ich jetzt nichts zu Dörries Möse sagen, die ist ja auch erst nächstes Jahr Thema, schätze ich mal. Also, nicht Frau Dörries, aber allgemein. Ich möchte vielmehr auf Frau Dörries Sklavenmentalität zu sprechen kommen, mit der sie immer wieder jeden Trend nachträglich bedient - das liegt aber auch daran, daß die verschlafenen Medientrottel dachten, sie hätte ihn erfunden. Was sie wiederum nur denken können, weil sie glauben, daß ihr Nachrichtenticker die Welt gebiert.
Der 'Stern‘ bleibt rührend ehrlich in seiner Dämlichkeit: Er klatscht das Monster auf die Titelseite und bedient damit, wie üblich, die Brüder im armseligen Geiste. 'FAZ‘ und 'Zeit‘ dagegen wollen demonstrieren, daß ihnen zu den von ihnen geschaffenen Kulturseifenblasen noch ein paar altkluge Worte und Abgrenzungsmetaphern einfallen, damit nur keiner auf die Idee kommt, sie haben mit diesem „Yuppie-Ich, Yuppie -Du“ auch nur das Geringste zu tun.
Jede Zeit soll die Kultur haben, die sie verdient; unsere heißt derzeit „Schwanz“, wie jener Versager aus Berlin, der sich als Bordellbesitzer an CDU-Pfeifen hängte, was ihm aber auch nicht geholfen hat, so wenig, wie es den Filmemachern hilft, wenn sie sich wo dranhängen, um Erfolg zu haben. Nicht mal Herr Müller aus dem Osten: „Erfolg ist, wenn alles jubelt, d.h. wenn nichts mehr gesagt wird.“
Ist unsere allgemeine Ratlosigkeit angesichts Paradigmenwechsels und dem Leben schlechthin also zu vergleichen mit der Hilflosigkeit, die Mann und Frau und Kind bei Betrachtung jenes hängenden Fleischläppchens überfällt, wo sich die Gesichter erst aufhellen „zufriedene Mienen danken es Ihnen“ - wenn das Ding Figur und Format bekommt? Aber, aber - das ist doch der Ausnahmezustand, meine Lieben! Normalerweise krumpelt und krümelt das in mehr oder weniger sauberen Unterhosen herum eine etwas alberne Angelegenheit, die erst durch liebe- oder haßvolle Betrachtung Bedeutung erlangt.
Die Filme samt ihrer Rezensionen, ob affirmativ oder kritisch: ein Lärm um nichts und nur der Entlarvung dienlich, daß wir, Zombies und Aasfresser gleichermaßen, nicht wirklich mehr was zu sagen haben. Das macht Hoffnung. Vielleicht gehen uns irgendwann die Worte endgültig aus, eine beruhigende Stille breitet sich über das geschundene Land aus, der Kunde wird wieder König und darf selbst inszenieren. Und dann wagt sich der beleidigte Geschmack aus seinem Versteck hervor und lugt nach den Geschichten, die mit allen zur Verfügung stehenden Sinnen erzählt werden, und die von heißen Köpfen und Herzen und von nassen Mösen und Schwänzen handeln, ohne daß mir dabei die Füße einschlafen.
„Wieso hackst du so auf der Kopfwichserei 'rum?“, sagt mein Freund Micki, „wir wissen doch, daß das Gehirn das sexuellste Organ ist.“ Ach ja, da soll man nicht mißtrauisch werden, wenn einer mit abgehackten Beinen was vom Fliegen vorschwärmt. Wie die Dame in Marx-Brothers auf See: „I wanna sing, I wanna dance, I wanna ChaChaCha!“ Immer sich wahrhaftig geil fühlen, von oben bis unten, das ist doch wohl das Mindeste!
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