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Optimismus

■ Der Kampf findet jetzt im polnischen Regime statt

Wenn jetzt der Breslauer Solidarnoscführer Frasyniuk von einem „Siegesgefühl“ in der Opposition spricht, dann mag diese Wertung der Gespräche mit der Regierung etwas übertrieben sein. Tatsache ist jedoch, daß Walesa und die Opposition mehr erreicht haben, als sie noch vor Wochen zu hoffen wagten. Wenn Mitte Oktober die Verhandlungen am „runden Tisch“ über die Zukunft des Landes beginnen, wird die politische Führung Rechenschaft ablegen müssen und nicht die Opposition. Und das Thema „Wiederzulassung von Solidarnosc“ steht endlich auf der Tagesordnung. Wesentlich für die neue Konstellation in Polen ist, daß die politischen Auseinandersetzungen nun nicht mehr ausschließlich entlang der Linie Regime und Opposition verlaufen. Der wirklich bedeutsame politische Kampf hat sich jetzt in die Regierung, die Bürokratie und in die Partei verlagert. Mit Händen und Füßen wollen die Militärs, die Polizei und Teile des restlichen Apparats die Anerkennung der Gewerkschaft verhindern, weil sie den „Symbolcharakter“ einer solchen Entscheidung nicht anerkennen wollen. Die Gerüchte über den Rücktritt der Regierung und der Wunsch der Reformer im Regime, mehr Zeit zu haben, bedeuten keine Verschleppungstaktik mehr. Sie deuten eher darauf hin, daß viele Reformer jetzt ernsthaft dabei sind, Widerstände zu beseitigen.

So gesehen, braucht es nicht viel an seherischer Gabe, den polnischen Herbst als heißen Herbst vorauszusagen. Gegenwärtig haben die Reformer zwar die Nase vorn, die Risiken für einen Rückschlag sind jedoch immer noch sehr groß. Weil die Reform in Polen das Machtmonopol der Kommunisten in Frage stellt, ist sie zum Prüfstein für die Reform im gesamten Block geworden.

Erich Rathfelder

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