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Bayerns Hexenjagd jetzt grenzenlos

Memminger Gericht zieht Frauenarzt in der Türkei in den Prozeß gegen Theissen hinein / Gutachten des türkischen Mediziners wird offensichtlich von Richter und Staatsanwältin nicht anerkannt  ■  Aus Memmingen G.Schöller

Der dunkle Schatten der „Memminger Hexenprozesse“ fällt bis in die Türkei. Weil die Memminger Justiz entschlossen ist, jede Chance für die Verurteilung einer Frau wegen illegaler Abtreibung zu nutzen, wird nun auch ein Frauenarzt in der Türkei in diese Prozesse hineingezogen und als Zeuge aussagen müssen.

Vor dem Amtsgericht Memmingen stand am Dienstag nachmittag Sevim M. (Name von der Redaktion geändert). Wie so vielen wirft die Staatsanwältin auch ihr vor, im November 1984 beim Frauenarzt Theissen illegal abgetrieben zu haben. Die 31jährige verheiratete Türkin, die als Bankangestellte in Kempten arbeitet und fließend deutsch spricht, bestreitet diesen Vorwurf und legte gegen den Strafbefehl über 1.600 Mark Widerspruch ein. Anfang November 1984 sei ihre Regel ausgeblieben, daraufhin sei sie zu Dr.Theissen gegangen, um feststellen zu lassen, ob eine der bei ihr häufigen Regelstörungen oder eine Schwangerschaft vorliege, schilderte sie dem Gericht ihren Fall. Theissen habe eine Regelstörung diagnostiziert und als Therapie eine Ausschabung gemacht. Als sie im Dezember im Urlaub in der Türkei war, hätten plötzlich heftige Blutungen eingesetzt. Ein Frauenarzt in Istanbul habe dann eine Schwangerschaft in der sechsten Woche festgestellt und eine Abtreibung aus medizinischen Gründen durchgeführt, weil nur durch eine Ausschabung die Blutungen zum Stillstand gebracht werden konnten.

Das schriftliche Gutachten dieses Arztes, in dem die medizinische Indikation bestätigt wird, liegt dem Gericht in deutscher Übersetzung vor. Aber das genügt weder der Staatsanwältin noch Amtsrichter Bochum, der in den „Hexenprozessen“ schon viele Frauen verurteilte. Offensichtlich halten beide dieses Gutachten für gekauft bzw. gefälscht und gehen davon aus, daß Sevim M. bei Theissen abtreiben ließ. Deshalb bestehen sie darauf, den Arzt als Zeugen durch einen türkischen Richter in ihrem Auftrag vernehmen zu lassen.

Der Verteidiger von Sevim M. bezweifelte, ob dieser Aufwand gerechtfertigt sei, um einen Strafanspruch über 1.600 Mark durchzusetzen. Hänge jedoch so viel von der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen ab, bestehe er darauf, selbst Fragen an ihn zu stellen. Eine Vernehmung durch einen türkischen Richter genüge ihm dann nicht.

So scheint es sicher, daß sich dieses Verfahren über viele Monate hinziehen wird und damit, so der Verteidiger, seine Mandantin „völlig unnötig belastet“ wird.

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