piwik no script img

Schuldennachlaß - aber keine Streichung

Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, kommt es weniger auf marktwirtschaftliche Lösungen an als auf marktwirtschaftliche Effizienz in den Schuldnerländern  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Herrhausen, Sie wollen doch auch Bewegung in der Diskussion über Lösungen in der Schuldenkrise. Sind da Ihrer Meinung nach die Demonstrationen hilfreich oder hinderlich?

Herrhausen: Weder noch. Ich glaube, es ist genug Bewegung in der Diskussion. Ich sehe aber auch nicht, daß die Diskussion behindert würde, das haben die Demonstrationen zum Ausdruck gebracht. Ich persönlich bin - sofern es sich um friedliche Demonstrationen handelt - immer froh, wenn wir Anlaß haben zum Diskutieren. Auch manches von dem, was Kritiker sagen, sollte ernsthaft geprüft werden.

Nun liegen ja Welten zwischen dem, was auf der Demonstration gefordert wurde und Ihrer Erkenntnis, daß man einen Schuldenverzicht nicht grundsätzlich ausschließen kann. Wenn Sie den Schuldenerlaß nur auf den Handel von Schuldpapieren zu Discountpreisen, die Umwandlung in langfristige Schuldverschreibungen usw. beziehen, dann kann das aber doch nur einen Bruchteil der Schulden bewältigen

Das ist ja der Grund, weshalb ich verstärkt über die Möglichkeit von Schuldenerleichterungen - lassen Sie mich bitte dieses Wort verwenden - sprechen will. Es hat sich doch gezeigt, daß die bisherigen Ansätze, die ich alle respektiere und die auch alle richtig waren, uns immer noch nicht der Lösung der Krise näher gebracht haben. Deshalb müssen wir alle gemeinsam, die Bankerkollegen, der IWF, die Weltbank, Sie (oho, d.Red.) und die Regierungen darüber nachdenken, welche Möglichkeiten es noch gibt.

Beißen sich die marktwirtschaftlichen Modelle nicht wie die Katze in den Schwanz? Wenn der Schuldenrückkauf in großem Maßstab anlaufen würde, würden doch auch die jetzt so günstigen Discountpreise automatisch wieder ansteigen.

Es geht nicht so sehr darum, ob die Lösungen marktwirtschaftlich sind. Es geht um die Frage, ob das, was die Schuldner mit den von uns angebotenen Lösungsansätzen tun, marktwirtschaftlich ist. Wir glauben, daß sie nur dann eine Chance haben, ihre Kreditwürdigkeit in absehbarer Zeit

-hier müssen wir wohl geduldiger sein, als wir zu Beginn der Krise geglaubt haben - nur wiedererlangen können, wenn sie ihre Wirtschaften umstrukturieren: in Richtung auf mehr Markt und weniger Staat. Bisher sind die Programme nicht so ausgefallen, daß man daraus ableiten könnte, daß die marktwirtschaftliche Effizienz in den Schuldnerländern steigt.

Der Rubikon liegt doch zwischen nahe beieinander liegenden Ansätzen. Einmal werden Papiere zu einem Kurswert von beispielsweise zehn Cent pro Dollar verkauft. Beim anderen Modell würde der dem Discount entsprechende Betrag direkt geschenkt. Warum geht das eine und das andere nicht?

Die große Trennungslinie sehe ich nicht. Das Umwandeln von Buch- in Briefforderungen mit einem teilweisen Schuldennachlaß ist vom ökonomischen Prinzip her dasselbe wie die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital (Debt to Equity Swap), verbunden mit einem Forderungsnachlaß...

...ich meine jetzt aber einen schlichten Verzicht auf das Geld in entsprechender Höhe.

Bei einem Debt to Equity Swap verzichten wir ja auch, denn wir wandeln zwar unsere Forderungen in Eigenkapital um aber unter Inkaufnahme eines Nachlasses.

Beim Wort Schuldnachlaß stellt sich der kleine Mann auf der Straße vor, die Bank verzichtet einfach mal auf fünf Pfennig von einer Mark. Warum ist das ausgeschlossen?

Leider sind die Probleme so komplex, daß wir sie mit der Alltagseinschätzung des kleinen Mannes auf der Straße - der für uns als Kunde ein ganz großer Mann ist, damit hier nicht ein Mißverständnis entsteht - nicht werden lösen können. Wir sind konfrontiert mit sehr schwierigen Problemen. Da kann man nicht einfach hingehen und sagen, wir lassen fünf Pfennig nach und damit ist die Sache aus der Welt. Interview: Ulli Kulke/Konrad Melchers

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen