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DIE MÜLLKIPPE HOLLYWOODS

■ Die Filme des Edgar D. Wood

Er hat den Ruf des schlechtesten Regisseurs der Welt weg, und stolz war er auch noch darauf, wenn er dafür ausgezeichnet wurde, was öfters passierte. Eigentlich will sich keiner mehr so recht daran erinnern, wie er nach Hollywood kam, er war einfach und einmalig da, glücklicherweise, denn noch mehr Typen seines Kalibers hätten Hollywoods Glanz und Glamour längst auf Müllkippenniveau runtergewirtschaftet. Schamlos und selbstbewußt machte der Pfundskerl aus seinem Transvestismus keinen Hehl. Am liebsten trug er Hosenanzüge für Frauen, hochhackiges Schuhwerk und Angorapullover; Man munkelte gar, daß er selbst bei der Marine immer BH und Schlüpfer unter der Uniform getragen hätte.

Folglich war Edgar D. Woods erster Film ein Drama aus der Welt der Travestie, eine Semi-Dokumentation über eine 1952 sensationelle Geschlechtsumwandlung: Glen or Glenda? - I changed my Sex. Ein ehemals großer Hollywood-Epigone, der, von den Major-Gesellschaften angeschissen, keine Arbeit mehr fand, forcierte seinen trostlosen Niedergang, indem er nach beharrlich berechtigtem Sträuben einwilligte, in diesem Film mitzuspielen. Angeblich ist „Glen or Glenda?“ der einzige Film mit Bela Lugosi, der jemals chinesisch sychronisiert wurde, aber was hilft's. E.D. Wood stand nun vor dem unerhörten Problem, Lugosi auch noch in seinem Film unterbringen zu müssen; eine Rolle war trotz Engagement für ihn nicht vorgesehen.

Über Nacht schrieb er das Drehbuch um und schusterte dem abgetakelten Vampir die Funktion eines beratenden Psychologen zu, der mit mittelprächtigem Scharfsinn die haarsträubenden Erlebnisse eines häßlichen Transis und seiner dümmlichen Freundin kommentiert. Filmhistorisch besonders wertvoll ist dabei eine von Dali inspirierte Traumsequenz geworden, die mit einem Budget von 4.95 Dollar perfektioniert wurde. Lugosis Schicksal als Billigschocker war von da an besiegelt: Jeden Freitag saß er nun im Restaurant „Brown Derby“, am Stammtisch von E.D. Wood und verspeiste Fischköpfe, was Wood immer sehr eklig fand, aber über Geschmack stritten sich die beiden nicht, denn das hätte nur zu einer Katastrophe geführt.

Lugosi hegte ein heftiges Mißtrauen gegen alle, die seine Gourmetgenüsse nicht schätzten, und vielleicht war es ein Moment aufgestauter Rachegelüste, daß er einfach drei Tage nach Beginn der Dreharbeiten zu Plan 9 From Outer Space sich weigerte weiterzuspielen, indem er einfach starb. Wood machte das Beste daraus: das durch und durch schlechteste Kinovergnügen, das wohl jemals ein Publikum gequält hat, was aber nicht nur an dem miesen Lugosi-Double lag, das sein Gesicht krampfhaft hinter einem wallenden Umhang verhüllt, voll daneben durch die Szenen schlich. Plan 9 From Outer Space ist der absolute Höhepunkt Hollywoodschen Flachsinns, ein Scienes-Fiction für alle, die an der Zukunft interessiert sind, denn schließlich verbringt man dort den Rest seines Leben, „wo die Untertassen so tief fliegen, daß ihr Auspuff die Leute umwirft“. Den beliebten Fünfziger -Jahre-Plot der außerirdischen Bedrohung hemmungslos beutelnd, landet ein Trupp Grabräuber aus dem All zwecks Invasion auf der Erde. „Plan 9 - die Toten wieder auferstehen lassen. Elektronische Fernsteuerung kürzlich Verstorbener. Schrecklich, zu was wir uns herablassen müssen“, spricht der Kommandant, und der Plan scheitert wie die anderen acht davor auch. Kein Wunder, bei solch grausig herumhampelnden Schauspielern, dadaistischen Suffdialogen, Wegwerfbauten und technischen Schlampereien, was Licht und Anschlüsse betrifft. Edgar D. Wood starb, wie es sich gehört: arm, verlassen und vergessen vor einem Fernseher, den er sich nur geliehen hatte, bei einer Football -Übertragung an einem Herzschlag.

Andreas Döhler

Im Eiszeit, Do und Fr, 21 Uhr, Sa 23 Uhr.

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