: Kopfverletzte durch Knüppel
Nächtliche Jagd auf Demonstranten / 226 Festnahmen / Autonome Demo: gegen Reformisten ■ Aus Berlin Wolfgang Gast
Auch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch trafen sich wieder weit über 1.000 Personen vor der Gedächtniskirche, um mit Topfdeckelklappern und Sprechchören gegen IWF- und Weltbank-Tagung zu protestieren. Um die Kundgebung zu verhindern, die seit Samstag allabendlich stattfindet, hatte die Polizeiführung diesmal schon im Vorfeld ein riesiges Aufgebot postiert. Allein an der Gedächntniskirche befanden sich über 20 Mannschaftswagen, und in einer Nebenstraße konnten Passanten noch einmal 28 Wannen und zwei Wassserwerfer zählen. Die IWF-GegnerInnen wurden aufgefordert, das Feld zu räumen, anschließend wurde der Platz abgeräumt.
Nach nur vier Tagen hat die Abfolge Protest, Verbot und gewaltsame Räumung den Charakter eines Rituals angenommen. Die Beamten kesselten die DemonstrantInnen ein, trieben sie in Richtung Wittenbergplatz und zerstreuten mit dem Schlagstock kleine Gruppen. Diese formierten sich aber anschließend wieder hinter den Polizeikesseln. Vereinzelt wurden Böller und leere Dosen gegen Polizeiketten geworfen. Zu später Stunde machten Sonderkommandos dann gezielt Jagd auf einzelne Demonstranten und stürmten die U-Bahn-Station Wittenbergplatz. Mit den Festgenommenen wurde vielfach brutal umgegangen. So sprang ein Beamter mit den Füßen auf einen gestrauchelten Demonstranten, schlug ihm mehrfach ins Gesicht und trat den am Boden Liegenden in den Magen.
Gegen 23 Uhr wurden alle noch auf dem Wittenbergplatz Anwesenden in „Polizeigewahrsam“ genommen. Die „Demo -Sanitäter“ berichteten anschließend über eine „Unzahl“ von Augen- und Kopfverletzungen und - als Folge der Knüppeleinsätze - von Kollaps- und Schockzuständen. Nach Polizeiangaben wurden 226 Personen festgenommen, 70 davon im Bereich der Innenstadt. Die Mehrzahl der übrigen Festnahmen erfolgte im Anschluß an eine Kundgebung gegen den Pharma -Konzern Schering im Bezirk Wedding. Bis Redaktionsschluß am frühen Nachmittag waren über 100 der Festgenommenen wieder auf freiem Fuß.
Bereits am Dienstag nachittag hatten autonome Gruppen am Ernst-Reuter-Platz demonstriert. In Redebeiträgen, die sich thematisch mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst beschäftigten, warfen sie dem „reformistischen“ Spektrum der Anti-IWF-Kampagne vor, „mit eingeengtem Blick auf das eigene Brunnenprojekt zu starren“ und den Blick für das Ganze verloren zu haben. In den „internationalen Klassenkämpfen“ sei es notwendig zu zeigen, wer „auf welcher Seite der Entwicklungsbarrikade“ stehe.
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