piwik no script img

1984 ist ja erst vier Jahre her

■ Wie Geisel-Meyers Beamte unterhalb der rechtlich zulässigen Möglichkeiten blieben

Also, erstens dürfen Polizisten in jede Wohnung eindringen, klar, zweitens dürfen sie alles durchsuchen, auch klar, und drittens müssen sie aufpassen, daß sie sich dabei nicht erwischen lassen.

So, so.

Da geriet der Friseur ins Stocken, weil ich nicht ganz verstanden hatte, was er meinte. Mein saudummes Gesicht muß ihm aufgefallen sein, denn nach langer Zeit der Klarheit umwölkte sich sein Gesicht.

Die haben im Innenressort, wie die Behörde vom Geisel-Meyer ironisch genannt wird, doch tatsächlich überlegt, wie sie Buten&Binnen das Handwerk legen können.

Welches Handwerk, fragte ich.

Die Sache mit den Daten und daß das Fernsehen schon in der Wohnung war, als die Polizei hereinstürmte, um der Frau die gemeldeten Daten-Fundstücke aus der Hand zu reißen.

Aber, das ist doch erlaubt, warf ich fast protestlerisch ein.

Nein, sagte mir der Friseur, darum geht es dem Geisel-Meyer nicht, sie sehen das als bewußten Hinterhalt an. Und haben das Gesetzbuch gewälzt und siehe da, im § 146 der Strafprozeßordnung haben sie was gefunden: Wer Beamte vorsätzlich bei Amtshandlungen stört, der kann festgenommen werden, jedoch nicht länger als bis über den nächsten Tag hinaus. Also, insgesamt bis zu 47 Stunden.

Ich nickte irritiert, weil ich noch nie einen Beamten bei einer Amtshandlung gesehen hatte.

Und nun kommt das Schärfste, sagte der Friseur triumphierend, denn er hat ja einen Hang zum Dramatischen: Der Geisel-Meyer läßt seinen „Im Auftrag Lüken“ formulieren, daß die Polizisten beim Hinauswurf des Buten&Binnen-Teams unterhalb der zulässigen rechtlichen Möglichkeiten gehandelt habe. Also, die waren richtige Gentlemen, diese Polizisten...

Was hätten sie für Möglichkeiten, fragte ich baff. Eine Entschuldigung, daß sie die Pressefreiheit eingetreten hatten oder daß sowas in Zukunft nicht mehr vorkommen soll?

Nein, nein, lachte der Friseur ganz windig. Also, sagen wir mal, um einfach anzufangen: Verhaften, so ein Fernsehteam, denn die Arbeit der Polizei haben sie ja eindeutig behindert. Beinahe wäre einer von den Grün-Männern über das Lampen-Stativ gefallen, und der andere hatte ja schon die Schnur vom Mikrophon um den Hals. Und wenn es Maßnahmen unterhalb des rechtlich Zulässigen gibt, dann gibt es auch Maßnahmen oberhalb. Was wäre alles noch möglich gewesen! Zum Beispiel den Fernsehleuten mal die Bekanntschaft mit einem langen, schwarzen Gegenstand namens Gummischwert zu verschaffen, denn sie haben ja nicht nur die Arbeit behindert, sie wollten das später auch senden. Was eigentlich das Schlimmste ist.

Die rechtlich zulässigen Möglichkeiten, nahm ich den Faden auf, könnten aber auch sein, das Fernsehstudio unter die direkte Kontrolle des Senats zu stellen, dann würde man sich ein paar lästige Paragraphen sparen.

1984 ist ja erst vier Jahre her, sagte der Friseur. Ich verabschiedete mich auf dem kürzesten Wege.

Euer Ali, der Friseurbefrager

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen