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Bremen düngt das Umland mit Dioxin

■ Schon 1986 wurden im Schlamm der Kläranlage Seehausen in erheblichen Mengen Dioxine gefunden / Verursacher unbekannt / Mitarbeiter der Umwelt-Behörde: Dioxin könnte „aus der Luft“ kommen

Bremen verteilt jährlich ca. 600.000 Nano-Gramm Dioxine und Furane (nach einem gemittelten Toxizitäts-Äquivalent) auf niedersächsischen Äckern. Dies weiß die verantwortliche Behörde, die heute zum Ressort Umweltschutz und Stadtentwicklung gehört, seit 1986. Denn damals im Mai hatte der Tübinger Chemiker Prof. Hagenmeier den Seehausener Klärschlamm auf Dioxin hin untersucht - und war fündig geworden. Nicht das gefährlichste der 235 Dioxine und Furane, das „Seveso„-Dioxin, hatte der Wissenschaftlicher nachweisen können, aber erhebliche Mengen diverser anderer Dioxine und Furane. Die Behörde liefert den Bauern den „Dünger“ kostenlos direkt auf die Äcker - das „Recycling“ kommt sie allemal billiger als die Kosten für eine Sondermüll-Deponie.

Zusammengenommen enthält der Bremer Klärschlamm 20 Mal soviel von der giftigen Substanz wie ein Boden enthalten darf, um als „unbedenklich“ zu gelten. Über diesen Fund bewahrten die Behörden zwei Jahre lang absolutes Stillschweigen.

Die intern gezogene Konsequenz war zweifach: Man rechnete aus, daß die Verteilung als Düngemittel unbedenklich ist, wenn sie 1,7 Tonnen pro Jahr und Hektar nicht überschreitet. Die Liste der „beschlammten Flächen“ pro Hektar, die der taz zu

gespielt wurde, zeigt eklatante Überschreitungen dieses Richtwertes. So sind 1985 in Bruchhausen-Vilsen 517 Tonnen auf 129 Hektar verteilt worden, also 2,5 Tonnen pro Hektar. und in Syke waren es gar 2,7 Tonnen pro Hektar.

Die andere Konsequenz der Behörde war die Suche nach der Quelle der Dioxine im Klärschlamm. Nach zwei Jahren ist kein Verursacher auszumachen.

Es könnte sein, daß die Dioxine einfach „aus der Luft“ mit Staubpartikeln niedergehen, meinte ein Behördenmitarbeiter zur taz. Eine derartige Konzentration in der Luft, wäre allerdings ein Grund zum Auswandern. Daß die Dioxin-Quelle auszumachen ist, „kann man nur hoffen“, meinte der zuständige Kollege aus der Umweltbehörde.

Der Bundesumweltminister will die Klärschlamm-Verord

nung so ändern, daß zumindest die Verteilung auf Grünland unterbunden wird. Denn z.B. Kühe fressen die Blätter mit konzentrierten Giftstoffen, die Dioxine gelangen direkt in die Nahrungskette zum Menschen. Und weil sie sich im Fett anlagern, ist die Konzentration im Menschen weit höher als etwa im Boden.

Aber auf Grünland verstreut Bremen seinen Klärschlamm schon seit 1980 nicht, versichert

die Umweltbehörde. Nicht wegen der Dioxine, sondern wegen allgemeiner Seuchengefahr. Gleichzeitig sieht das Amt Probleme in der angekündigten Töpfer-Verordnung: Wenn insgesamt die Klärschlamm-Flächen sich verringern, könnte auch die bremische Erfolgsbilanz im „Recycling“ schlechter werden. Im Boden sind die Dioxine weniger gefährlich, rechtfertigt die Behörde die Dünge-Praxis, weil bislang in den Pflanzen selber keine Dioxine nachweisbar waren.

Aber auch das gilt nicht allgemein. Ausnahme ist z.B. die Kartoffel. Und wenn eine Kartoffel dieselbe Menge an Dioxinen enthält, die für den Acker als unbedenklich gelten, dann hätte ein Mensch pro Tag mit ca. 10 Gramm solcher Kartoffeln die volle Dosis an Dioxin-Aufnahme erreicht, die der ACI-Richtwert („acceptibel daily intake“) angibt. Er darf also weder durch den Rauch der Müllverbrennung noch durch Zigaretten-Qualm noch weiteres Dioxin aufnehmen.

Nur eines ist klar: Was im menschlichen Fettgewebe landet, bleibt über Jahre da. Daran scheint die Umweltbehörde zwei Monate nach den Dioxin-Messungen im Juli 1986 nicht gedacht zu haben, als sie mitteilte, bei der „Verteilung des Klärschlammes auf den Äckern“ gehe es darum, „den Kreislauf annähernd wieder zu schließen.“

K.W.

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