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Stadt Tschernobyl wird abgerissen

■ Ukrainisches Dekontaminierungskombinat ordnet Abriß der radioaktiv verseuchten Stadt Tschernobyl an / Leiter des Kraftwerks: Rückkehr auf Jahrzehnte gefährlich / Die 'Prawda‘ kritisiert die Entscheidung und fordert eine „Diskussion auf allen Ebenen des Staates“

Moskau (ap/apf) - Zweieinhalb Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wird die Stadt nun dem Erdboden gleichgemacht. Wie die sowjetische Parteizeitung 'Prawda‘ am Samstag berichtete, haben die ukrainischen Behörden den völligen Abriß angeordnet. Die Bewohner sieben weiterer Dörfer, die nicht in der unmittelbaren Gefahrenzone liegen, sollen dem Bericht zufolge umgesiedelt werden.

Die 'Prawda‘ zitierte den Leiter des nach der Katastrophe vom April 1986 teilweise wieder in Betrieb gegangenen Atomkraftwerks mit den Worten, wegen der radioaktiven Strahlung könnten die rund 10.000 Einwohner Tschernobyls auf Jahrzehnte hinaus nicht zurückkehren. Die Stadt liegt 18 Kilometer vom Kraftwerk-Komplex entfernt.

Im Umkreis von zehn Kilometer um den zubetonierten Unglücksreaktor ist Menschen der Aufenthalt verboten; in der Sperrzone werden die Auswirkungen der Strahlung auf Pflanzen und Tiere erforscht. Die Angestellten der arbeitenden Atommeiler wohnen in einem 56 Kilometer entfernten Ort.

Die Parteizeitung wandte gegen den Abriß Tschernobyls ein, daß die genausoweit vom Unglücksort entfernte Ortschaft Gden in Weißrußland im Herbst 1986 wieder besiedelt worden sei. Wasserleitungen, Hausdächer und Straßenbeläge seien erneuert worden, und alle 245 Familien seien nach Gden zurückgekehrt. „Im ukrainischen Teil der Gefahrenzone gibt es nicht ein einziges solches Beispiel“, monierte die 'Prawda‘.

„Es ist erstaunlich, daß eine solche Entscheidung, die eigentlich in die Zuständigkeit des Staates fällt, von den Ingenieuren eines Kombinats getroffen wird, das zudem nur einen übergangsweisen Betrieb darstellt“, schrieb die 'Prawda‘ weiter. Die Parteizeitung berichtete, daß vereinzelt bereits mit der Zerstörung der Häuser begonnen worden sei. Ein Haus sei unter Angabe von „Hygienegründen“ als Experiment abgebrannt worden, mehrere alte Gebäude habe man dann niedergerissen. Der Korrespondent erhob die Forderung, daß der Abriß-Beschluß umgehend aufgehoben und das Schicksal der Stadt Tschernobyl auf „allen Ebenen“ des Staates und der Regierung diskutiert werden müsse.

Den früheren Bewohnern der leerstehenden Häuser, deren Abriß unumgänglich ist, müßte außerdem eine Entschädigung zugesichert werden. Die 'Prawda‘ erinnerte daran, daß in Tschernobyl, das 1993 seinen 800. Geburtstag feiern würde, auch zahlreiche neue oder renovierte Gebäude stünden.

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