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Kein Pardon

■ Algeriens Präsident Chadli muß bezahlen

Neun Jahre lang genoß Chadli Benjedid eine leicht erkaufte Herrschaft. Solange der Reichtum des Öls floß, zeigte das Volk Dankbarkeit und Ergebenheit, lange sah die Welt mit Respekt auf Chadli Benjedid, ein ebenso unangefochtener wie wohltätiger Regent. Doch Chadlis Ruhm verstrich schnell. Eine Woche nach Beginn der Unruhen in Algier hat sich seine Autorität unter den Salven der Militärs in Wind aufgelöst. Dabei fehlte Chadli nicht die Einsicht in den Notstand seiner Nation. Seine wirtschaftliche Reformpolitik zielte bewußt darauf, die Versäumnisse der Revolutionsväter zu beseitigen. Chadli unternahm den Versuch, die Produktion zu diversifizieren und zu dezentralisieren und pflegte die völlig vernachlässigte Landwirtschaft, um der unerträglichen Abhängigkeit vom Öl zu entrinnen. Chadlis Politik schlug nicht fehl. 1985 meldete die Landwirtschaft eine Rekordernte.

Natürlich beruft sich Chadli heute auf diese Erfolge, klagt mildernde Umstände ein. Doch an der Macht gibt es keine Entschuldigungen, zumal andere Versäumnisse unübersehbar sind. Der Wirtschaftsreform folgte unter Chadli nicht die politische Reform. Immer noch umgeben die inzwischen verhaßten Eminenzen der Revolutionstage das algerische Präsidialamt. Anders als Gorbatschow hat Chadli nie den Versuch unternommen, mit seinen Vorgängern aufzuräumen. Chadli fehlte die politische Kraft innerhalb der FLN, dem Begehren der Jugend mit unmittelbaren politischen Maßnahmen entgegenzukommen. Deshalb mußte er auf die Menge schießen lassen - um sein Amt zu retten. Algerien aber hat viel verloren. Innerhalb weniger Tage hat eine der einst stolzesten Befreiungsarmeen endgültig jede demokratische Legitimation verspielt.

Georg Blume

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