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Algerien

■ Betr.: "Die Befreiung von den Befreiern",Tagesthema,taz vom 14.10.88/Betr.: "Der algerische Sozialismus hat ausgedient",taz vom 17.10.88

betr.: „Die Befreiung von den Befreiern“, Tagesthema S. 3,

taz vom 14.10.88

(...) Für Blume heißt Jugend scheinbar „jugendliche Begeisterung“ und Neubeginn, Altwerden Stagnation und Korruption - als gäbe es nicht mächtig im Zeitgeist swingende JungdynamikerInnen, denen Yuppiedom oberstes Ziel ist und deren SchutzheiligInnen Reagan und Thatcher heißen; als gäbe es nicht Alte wie Mandela und Mbeki, vor deren Mut und Drive Jungmann/frau (besonders im Westen) mickerig aussehen.

Als Ben Bella 1965 weggeputscht wird, treten mit ihm auch die Pan-Afrikanisten im Dienste der algerischen Sache ab (bekannteste Symbolfigur dieses Internatinalismus: Frantz Fanon). Die Militärs setzen auf einen verengten Nationalismus (mit internationalistisch -antiimperialistischer Pose), auf den Islam als ideolgischen gemeinsamen Nenner und auf materiellen Aufschwung. Wurde nicht schon damals Algerien von „seinen Befreiern befreit“? Haben Blumes „revolutionäre Väter“ nicht damals schon aufgehört, revolutionär zu sein und angefangen „Väter“ zu werden?

Wenn Baber recht hat, sind die Jugendlichen im heutigen Kontext beinahe dazu gezwungen, ihre Forderungen islamistisch zu formulieren. Damit wären ihnen säkulare internationalistische Lösungen, wie sie bis 1965 noch drin waren, fast schon verbaut - ein reduzierter historischer Horizont.

Wenn Baber recht hat, geht der algerische Jugend-Protest auch auf die weltmarkterzeugte Verschlechterung des Lebens und die Unzufriedenheit mit der Führungselite, die neokolonial domestiziert und bürokratisch verkommen ist, zurück. Ein Szenario für IWF-Strategen: Nach dem ökonomischen Knockout für „Dritt-Welt„-Länder laufen die Massen auch noch gegen postkoloniale Regimes Sturm, die dann - im für IWF & Co. günstigsten Falle - das gegen die Metropolen gerichtete Fett abbekommen und vielleicht durch noch korrumpierbarere Obrigkeiten ersetzt werden.

Zombie or not zombie in the neocolonial context? Jugend kann nicht allein historisches Subjekt der Befreiung sein. Wenn sie sich nicht als Teil der unterdrückten „Dritt -Welt„-Klassen (Kleinbauern, Arbeiter) verstehen, wenn sie ihren Kampf nicht mit den alltäglichen Kämpfen der Mehrheit vereinigen, die von der kolonialen Befreiung noch nichts mitbekommen hat, wird ihr Elan wohl schon bald in seltsame Richtungen kanalisiert werden können.

H. Umlungu, Hamburg

betr.: „Der algerische

Sozialismus hat ausgedient“,

taz vom 17.10.88

(...) Wenn BRD-Rechte taz läsen, zögen sie aus Georgs Text folgende „Weisheiten“:

-Auch Algerien beweist, daß Sozialismus Scheiße ist.

-Da es in der menschlichen Natur liegt, daß junge Revolutionäre alt und korrupt werden und damit ihre Revolution verkommt, sollten wir endlich einsehen, daß Revolutionen hormonal bedingte Illusionen sind.

-Als die weißen Kolonialisten noch da waren, klappte alles. Jetzt geht alles durcheinander. Also war und ist Euro -Kolonialismus notwendig.

Der linke taz-Leser tut das natürlich nicht, aber sein Anti -IWF-Pathos hängt nach diesem Text völlig in der Luft: Wenn in Algerien nur auf das Parasitentum made in Algeria (nach Art von Orwells Animal Farm) hingewiesen wird, wenn in Ruanda-Burundi nur die mythischen ewig-afrikanischen „Stammesfehden“ gesehen werden - was, bitte schön, ist ein Stamm? -, dann sind die alten kolonialen und die neuen kolonialen Mächte fein raus: Auf ihre Fingerabdrücke am Ort des Verbrechens achtet keiner mehr.

H. Umlungu, Hamburg

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