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Neue Lafontaine-Debatte

■ Union kritisiert Lafontaines Äußerungen zu deutschen Aussiedlern / Aktuelle Stunde beantragt Auch SPD-Chef Vogel distanziert sich / Lafontaine sprach von „übertriebener Deutschtümelei“

Berlin (taz/ap) - Mit seinen jüngsten Äußerungen zur Aussiedlerproblematik hat der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine am Dienstag Kritik von allen Seiten auf sich gezogen. Die CDU warf ihm einen Verstoß gegen Verfassung und Solidarität vor und beantragte für Mittwoch dazu eine Aktuelle Stunde im Bundestag.

Kritisiert wurde der streitsüchtige Saarländer auch von sozialdemokratischen Landespolitikern und dem SPD -Vorsitzenden Hans Jochen Vogel. Lafontaine hatte am Wochenende Kohls „übertriebene Deutschtümelei“ attackiert und darüber hinaus gesagt: „Ich habe gewisse Probleme damit, Deutschstämmige in der vierten oder fünften Generation hier vorrangig aufzunehmen vor einem Farbigen, dessen Leben existenziell bedroht ist.“

Der SPD-Vorsitzende Vogel sagte in Bonn dazu, für ihn gehöre der Ausdruck „übertriebene Deutschtümelei“ in die „hinterste Vorratskammer“ seines Wortschatzes und wies darauf hin, daß das Grundgesetz klar zwischen Asylbewerbern und Aussiedlern unterscheide. Er äußerte die Befürchtung, daß beide „schlimm gegeneinander ausgespielt“ werden könnten. Vogel wandte sich auch dagegen, bei den Aussiedlern „alles über einen Kamm“ zu scheren, und verwies auf die Lage der Rumäniendeutschen.

Lafontaines Regierungsprecherin hat am Dienstag in einem Offenen Brief an die 'Saarbrücker Zeitung‘ noch einmal dessen Position verdeutlicht. Der saarländische Ministerpräsident sei besorgt über eine in weiten Kreisen mit konservativer Denkart deutlich werdende Tendenz der wachsenden und gezielt instrumentalisierten Abneigung gegen Ausländer und Asylbewerber. Dafür sprächen die Absichten, das Grundrecht auf Asyl einzuschränken. Das Kriterium der existenziellen Bedrohung eines Asylsuchenden, der Grundsatz der Humanität, dürfe nicht so zurückgesetzt werden, daß die pauschale Devise entstehe: Die Aufnahme von Aussiedlern ersetzt die Aufnahme von Asylsuchenden. Daß Lafontaine mit seinen Befürchtungen nicht so falsch liegt, wird in einer Stellungnahme des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU -Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Doppmeier, deutlich. Der hat in der laufenden Diskussion vorgeschlagen, Städte und Gemeinden mit hohem Zuzug von deutschen Aussiedlern von der Übernahmeverpflichtung für Asylbewerber freizustellen.

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