: Hasselmann, geh du voran!
■ Schweren Herzens läßt Ernst Albrecht seinen Innenminister ziehen / Von Jürgen Voges
Rien ne va plus - das gilt in Niedersachsen nur für falschspielende Innenminister. Als CDU-Landeschef bleibt Wilfried Hasselmann in Amt und Würden, allen neuen Vorwürfen in der Spielbankaffäre zum Trotz. Die SPD setzt auf Neuwahlen. Riskantes Spiel.
„Sie können sich denken, daß mich das schmerzlich berührt hat“, fügte Ministerpräsident Ernst Albrecht am Dienstagabend hinzu, nachdem er im Gästehaus der Landesregierung zu Beginn der eilig zusammengerufenen Pressekonferenz den Rücktritt Wilfried Hasselmanns vom Amt des Innenminsters verkündet hatte.
Zumindest dieser Satz aus Albrechts abendlicher Erklärung hat wohl der Wahrheit entsprochen. Als damals noch junger Landesvorsitzender hatte Wilfried Hasselmann 1970 den EG -Beamten Ernst Albrecht nach Hannover in die Landespolitik geholt. Bei der Wahl Ernst Albrechts zum Ministerpräsidenten 1976 hatte Hasselmann nach den Ermittlungen des Spielbankausschusses die entscheidende Überläuferstimme vermittelt.
Beim allen „Schmerzen“ über den Abstieg des politischen Weggefährten, den endgültigen Abschied von Wilfried Hasselmann aus der niedersächsischen Politik hat Ernst Albrecht auch am Dienstagabend nicht verkünden wollen. „Ich trete entschieden dafür ein, daß Wilfried Hasselmann Landesvorsitzender der CDU Niedersachsen bleibt“, sagte Ernst Albrecht. „Die persönliche Integrität Wilfried Hasselmanns“ stand für den Ministerpräsidenten immer noch „außerhalb jeden Zweifels“, und er versicherte treuherzig: „Wenn Hasselmann etwas falsches vor dem Untersuchungsausschuß gesagt hat, dann bestimmt nicht mit Absicht.“ Am Mittwochmorgen dann verkündete Regierungssprecher Fritz Brickwedde der Landespressekonferenz schon wieder, daß Hasselmann „das Opfer einer Medienkampagne“ geworden sei.
Tatsächlich hat Wilfried Hasselmann mit seinem Rücktritt die Notbremse gezogen. Aus der neuerlichen CDU-Affäre um die Spenden des Ex-Spielbankchefs Marian Felsenstein würde er sich nicht wie sonst herauslügen können. Denn von den 141.000 Mark, die Marian Felsenstein der CDU gespendet hat, sind nach Angaben von Ernst Albrecht bisher lediglich 10.000 Mark in den Büchern der verschiedenen CDU-Organisationen aufgefunden worden: Der Schatzmeister des CDU-Kreisverbandes Hannover-Stadt hatte eine Spende des Casinochefs ordnungsgemäß verbucht. Folgt man allerdings den Angaben des Konkursverwalters der Felsensteinschen Gesellschaften, Karl Krinke, so wird sich mit einigem Aufwand bald der Weg vollständig nachzeichnen lassen, den Felsensteins Spendenschecks Ende der siebziger Jahre genommen hatten.
Die CDU erhielt in den Jahren 1977 und 1979 von Felsenstein 39.800 bzw. 40.000 Mark an Spenden und lag damit über der Grenze von 20.000 Mark, von der ab Parteispenden im Bundesanzeiger veröffentlich werden müssen. Dort ist jedoch keine Casinospende deklariert worden, wie auch Ernst Albrecht zugibt. Die Casinoschecks, die Felsenstein der CDU überreichte, waren mit denen identisch, mit denen die Spielbank auch Gewinne auszahlten. Sie konnten also von jedermann eingelöst und als steuerfreier Spielbankgewinn deklariert werden. Und noch besser: Das Spielkasino brauchte keine steuerlich absetzbaren Parteispendenquittungen, da es keine normalen Steuern zahlt, sondern nur die Spielbankabgabe an das Land abführt.
Die Aufstellung über Felsenstein-Parteispenden, die Konkursverwalter Krinke für den Spielbankausschuß erstellt hat und nach der auch die SPD mit 68.000 und die FDP mit 33.000 Mark bedacht wurden, stützt sich bisher auf die Bücher der Kasinogesellschaft und die Abbuchungen von deren Konten bei Einlösung der Schecks. Allerdings besitze, so Krinke, auch Felsenteins Hausbank, die Hannoversche Stadtsparkasse, keine Unterlagen darüber, wo und von wem die Spendenschecks eingelöst worden seien. Entsprechende Unterlagen seien jedoch noch auf Mikrofilmen vorhanden, die in den Kellern der niedersächsischen Landeszentralbank lagerten.
So werden wohl über kurz oder lang dem Spielbankausschuß in Hannover die nötigen Angaben über Konten und Personen vorliegen, die dann darüber Auskunft geben müssen, in welcher Schwarz- oder Privatkasse oder bei welcher Spendenwaschanlage Felsensteins Spenden an die CDU nun letztlich gelandet sind.
Dieser Aufklärungsarbeit durch den Ausschuß wollte Hasselmann mit seinem Rücktritt zuvorkommen, und er hatte noch einen anderen aktuellen Anlaß. Es existiert ein weiteres persönliches Schreiben von Hasselmann an Marian Felsenstein. Darin bedankt sich der CDU-Landesvorsitzende bei dem EX-Spielbankchef für ein angenehmes gemeinsames Abendessen im Jahre 1977. Zeitgleich mit diesem Schreiben ist von den Spielbankkonten eine Spende an die CDU an die CDU abgebucht worden. Nach den Angaben des CDU -Staatsekretärs Ludolf von Wartenberg über das Abendessen mit Hasselmann und Felsenstein im Jahre 1979 und die damalige Spendenübergabe ist dieses Schreiben ein weiterer Beweis dafür, daß Hasselmann vor dem Untersuchungsausschuß gelogen hat. Dort hatte er „gesellschaftliche Kontakte und Verbindungen“ wohl mit guten Grund abgestritten.
Er gehe davon aus, so sagte Ministerpräsident Ernst Albrecht am Dienstagabend, daß der CDU-Landesvorstand in seiner Sitzung am Samstag dem Landesvorsitzenden Hasselmann das Vertrauen aussprechen werde. Anders als Albrecht denken wohl Teile der CDU-Fraktion, vor allem aus dem von Umweltminister Werner Remmers geführten CDU-Bezirk Weser -Ems, die auch einen Rücktritt Hasselmanns gefordert haben sollen. Albrecht selbst will seinen Landesvorsitzenden noch nicht einmal für den nächsten Wahlkampf missen. Er würde es sehr bedauern, ohne den jetzigen CDU-Vorsitzenden in den nächsten Wahlkampf ziehen zu müssen, versicherte der Ministerpräsident. Als Innenminister hat der Oberst der Reserve Wilfried Hasselmann die Aufklärung der niedersächsischen Polizeiskandale verhindert, hat die Arbeit des Untersuchungsausschusses zum Celler Anschlag sabotiert, hat die Polizei in einem Vortrag vor deren Akademie in Hiltrup aufgefordert, es mit den Gesetzen nicht genau zu nehmen und hat die rechtswidrige Einkesselung von Jugendlichen in Göttingen bis heute gedeckt. Zurückgetreten aber ist er wegen der Spielbankaffäre, wegen Verfehlungen, Falschaussagen und den Felsensteinschen Spenden.
All dies aber hat er in seiner Eigenschaft als CDU -Landesvorsitzender begangen. CDU-Landesvorsitzender will Hasselmann nun bleiben, und Albrecht stützt ihn dabei. Offenbar will das Gespann Albrecht/Hasselmann doch noch gemeinsam von der politischen Bühne abtreten.
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