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Therapie für Vergewaltiger

■ Zweijähriger Fortbildungskurs für Psychologen abgeschlossen / Im Verein bieten sie nun Gutachten, Therapie und Unterstützung für Bewährungshelfer an

18 PsychologInnen dürfen sich seit gestern „Therapeut/in für sexuelle Delinquenz und sexuelle Störungen“ nennen. Sie alle haben an einer bundesweit einmaligen zweijährigen Fortbildung teilgenommen, die die Bremer Volkshochschule zusammen mit dem Senator für Gesundheit und Mitteln aus dem Arbeitsförderungsgesetz organisiert hat. Gestern wurden die Abschlußzeugnisse mit dem langen Titel überreicht.

Damit die frisch qualifizierten Sexual-TherapeutInnen nicht gleich wieder in die Arbeitslosig

keit geraten, aus der sie vor zwei Jahren in den Fortbildungskurs kamen, haben einige von ihnen zusammen mit der Ausbilderin Barbara Koch und dem Kriminologie -Hochschullehrer Lorenz Böllinger einen Verein gegründet, der aus ihren Fähigkeiten künftig auch eine finanzielle Lebensgrundlage machen soll: das „Forum für angewandte Sexualwissenschaft“. In Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaft, Gerichten, Knästen, Krankenhäusern, Krankenkassen und wissenschaftlichen Einrichtungen wollen die Kurs-AbsolventInnen ihre

Dienstleistungen anbieten: Gerichtsgutachten, Einzeltherapie und Unterstützung für Bewährungshelfer.

„Es kann allerdings sein, daß sich mit der Gesundheitsreform die Situation noch weiter verschlechtert“, dämpfte Böllinger schon gestern zu große Erwartungen. Allerdings habe die Ausbildung dennoch einen „gesundheitspolitischen Erfolg“ gezeigt, ergänzte der Ausbilder und Leiter des Instituts für Psychoanalytische Therapie im Zentralkrankenhaus Ost, Haack: „Nach Abschluß der Ausbildung tritt der

Finanzierungsnotstand deutlicher zutage.“ Denn dann könnten sich z.B. die Kankenkassen nicht mehr um ihre Verantwortlichkeit mit dem Argument drücken, es gäbe ja keine entsprechend qualifizierten PsychologInnen.

50 Männer und einige Frauen hatten bereits während der „Ausbildungszeit“ Kontakt mit den neuen TherapeutInnen. In etwa einem Drittel der Fälle ergaben sich Therapien, die mehrere Monate dauerten und z.T. noch nicht abgeschlossen sind. „Ein Ergebnis, z.B. im Sinne geringerer Rückfallquoten von Vergewaltigern, läßt sich nach so kurzer Zeit natürlich noch nicht vorweisen“, sagte die Ausbildungsleiterin Barbara Koch, „aber es ist schon ein Erfolg, daß es uns überhaupt gelungen ist, mit den Delinquenten einen längeren therapeutischen Zusammenhang herzustellen“.

Eine Fortsetzung der aufwendigen Ausbildung wird es vorerst nicht geben. „Nach der Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes wird es dafür keine Mittel mehr geben“, beklagte Senatsdirektor Fritz Dopatka, nachdem er den ersten 18 AbsolventInnen die Abschlußzeugnisse mit dem Stempel der Gesundheitsbehörde überreicht hatte.

Ase

Das „Forum für angewandte Sexualwissenschaft e.V.“ hat eine vorläufige Beratungsstelle eingerichtet: c/o Bremische Straffälligenbetreuung, Osterdeich 59b, Tel. 700033, Mo-Fr 16-18 Uhr.

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