: Nach Urteil Auslieferungsstopp?
Nach dem britischen Skandalurteil wackelt das Irisch-Britische Auslieferungsabkommen Politiker aller Parteien in Irland fordern Auslieferungsstopp / Kritik auch von britischen Juristen ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Das britische Terror-Urteil gegen drei IrInnen vom letzten Freitag wird möglicherweise das Auslieferungsabkommen zwischen Irland und Großbritannien zu Fall bringen. Ein Gericht in der englischen Garnisonsstadt Winchester hatte Martina Shanahan, Finbarr Cullen und John McCann zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie angeblich geplant hatten, den Nordirlandminister Tom King und weitere „unbekannte Personen“ zu ermorden. Selbst britische Juristen hatten erklärt, daß das Verhalten der Angeklagten zwar verdächtig gewesen sei, die dürftigen Indizien jedoch niemals für eine Verurteilung wegen eines Mordkomplotts ausgereicht hätten. Ein als Zeuge vorgeladener Polizist hatte vor Gericht ausgesagt, daß die drei nicht angeklagt worden wären, wenn sie nicht aus Irland stammten.
Für den irischen Regierungschef Haughey wird es jetzt immer schwieriger, die im Dezember fällige Erneuerung des Auslieferungsabkommens mit Großbritannien durchzusetzen. Nach einer Umfrage der 'Irish Times‘ lehnten schon vor dem Skandalurteil von Winchester zwei Drittel der Bevölkerung die Auslieferung politischer Gefangener ab. Am Wochenende forderten nun Politiker aller Parteien einen sofortigen Auslieferungsstopp. Selbst in Haugheys eigener Partei „Fianna Fail“ hat sich eine starke Gruppe dieser Forderung angeschlossen. Auf einer Abschlußkundgebung vor etwa 2.000 DemonstrantInnen forderte gestern Danny Morrison für den „Sinn Fein“ im katholischen West-Belfast auch die Sozialdemokraten auf, gemeinsam auf einen Auslieferungsstopp hinzuarbeiten. Große Bedeutung kommt der Haltung der einflußreichen katholischen Kirche in dieser Frage zu. Bisher haben lediglich einzelne Bischöfe erklärt, daß IrInnen in Großbritannien keine Gerechtigkeit zu erwarten hätten. Offiziell hat die Kirche noch keine Stellung bezogen. Das „Anti-Auslieferungskomitee“ hat am Freitag in Dublin angekündigt, zu den nächsten Parlamentswahlen eigene Kandidaten aufzustellen.
Die Anwälte der Verurteilten werden gegen das Urteil Berufung einlegen. Shanahan, Cullen und McCann hatten bei Gericht die Aussage mit der Begründung verweigert, die Beweise für eine Verurteilung reichten ohnehin nicht aus. Sowohl die Anwälte als auch die Familien der Verurteilten halten eine Berufungsverhandlung jedoch für aussichtslos. McCanns Anwalt, Michael Fisher, wies darauf hin, daß noch nie in Großbritannien der Berufung von Iren stattgegeben wurde, die als „Terroristen“ verurteilt worden waren.
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