Kleckern und Klotzen

■ „Perspektive Berlin e.V.“ diskutierte in der Akademie der Künste über „Kultur-Politik-Kulturpolitik“

Lea Rosh, Mitgründerin und Vorsitzende des im September gegründeten, dem linken politischen Spektrum zugeordneten Vereins, eröffnete am Montag abend die überflüssige Diskussion unterschiedlicher DisputantInnen zu vielfältigen kulturellen Problemen dieser Stadt. Die Moderatorin Frau Reisch stellte die Frage nach Zusammenhängen zwischen Kultur - und Kommerzpolitik. Jürgen Flimm vom Hamburger Thalia -Theater erläuterte den durch Hamburger Szeneklatsch aufgebauschten Sponsorenkonflikt um 75.000 DM von Airbus und Jäger-90-Bauer Messerschmidt Bölkow Blohm ans Thalia -Theater, der eigentlich schon sachlich erledigt war, und seine Irritation über die öffentliche Empörung, daß das Theater Gelder ablehnen kann.

Seine Forderung nach finanzieller Disziplin seitens der Theatermacher führte zu einem Mißverständnis mit Kultursenator Hassemer, der auf die Frage nach dem Wannseespektakel und der Frage, ob Neuenfels die Gelder von MMB hätte ablehnen dürfen, schon nicht mehr recht antworten konnte, dabei aber betonte, daß private Gelder öffentliche Etats nicht schmälern dürften. Flimm wiederum berichtete von dem Schreck, den die Inflation von Veranstaltungen in Berlin bei ihm ausgelöst hätte und sich gar nicht mehr rezipieren ließe. Günther Grass beschwor schließlich die Arbeitslosigkeit, die Drogenabhängigkeit und den Skandal der Finanzierung von solcherart Kultur, die von sozialen und ökologischen Problemen ablenke. Dabei führte er Hassemers Flucht nach vorne ins Feld, die nichts ausreifen lasse - wie die Kongreßhalle als Haus der Weltkulturen.

Frau Kolland als Neuköllner Kunstamtsleiterin beklagte die Ex-und-Hopp-Kultur des Bausenators, der für Fassaden Geld ausgebe, während Inhalte weniger zu interessieren scheinen. Als Beispiel erinnerte sie an eine Ausstellung zur Darstellung des jüdischen Lebens in Neukölln, der die Preußische Seehandlung in Person von Herrn Rasch die Mittel von 80.000 auf 60.000 DM kürzte, weil zu wenig für Sachmittel, aber zuviel für Personalmittel veranschlagt wurde. Herr Flimm zeichnete sich anschließend aus durch seine Unkenntnis in der Berliner Theaterlandschaft von Schaubühne, Staatstheater und Volksbühne, die er bedroht sieht durch E88-Festivals, obwohl doch die Bedrohung durch die hiesigen Off-Theater kommt, die das jüngere Publikum den Etablierten schlicht und einfach wegnehmen.

Die folgende Auseinandersetzung um die zukünftige Gestaltung des ehemaligen Gestapo-Geländes setzten die VeranstalterInnen gänzlich in den märkischen Sand, weil die Moderatorin nicht moderierte, Grass auf der Beantwortung seines weitestgehend Antrags nationalen Ausmaßes beharrte, Lea Rosh die Bestätigung ihres Vorschlags einklagte, Jürgen Flimm nicht zuhören konnte, Frau Kolland andere, gewiß ehrenwerte Neuköllner Sichtweisen pflegte, und Herr Hassemer außerstande war, den übrigen klar zu machen, wie schwer es ist, auf die größte Schande das größte, beste, richtigste Mahnmal zu setzen, das alle befriedigt.

Qpferdach