: Bangemann will Rüstungsmonopol unter dem Stern
Kabinett wird sich voraussichtlich heute in einer Sondersitzung mit der Übernahme von Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) durch Daimler-Benz befassen / Bund steigt über Kreditanstalt für Wiederaufbau bei Airbus ein und übernimmt Wechselkursrisiko / 60 Prozent der Beschaffungsausgaben künftig für Daimler ■ Von Ulli Kulke
Eine gute Generation nach der Zwangsentflechtung der deutschen Rüstungskonzerne durch die Alliierten wird heute wieder zusammengeflochten wie nie zuvor - und das auch noch von Amts wegen. Zeitgemäß geht es jetzt nicht mehr um Rüstungsschmieden im Ruhrpott, sondern um Hightech und Software im harten Kriegsgeschäft mit Zentrum im zukunftsträchtig durchtechnologisierten Süddeutschland. An der Spitze des größten Rüstungsmolochs und Krupp-Nachfolgers Daimler mit seinen Anhängseln AEG, Dornier und MTU steht mit Edzard Reuter heute ein Sozialdemokrat.
Er will mehr, nunmehr soll auch noch Messerschmitt-Bölkow -Blohm unter seine Fittiche. Eingefädelt wurde die geplante Zerschlagung der letzten Reste vom Wettbewerb in dieser Branche durch den obersten Vertreter der Marktwirtschaftler -Partei FDP, Martin Bangemann - mit dem gleichzeitigen Versprechen auf zweistellige Milliarden-Subventionen aus dem Bundeshaushalt an den Daimler-Konzern.
Hat die 'Zeit‘ recht, wenn sie in diesem Zusammenhang feststellt: „Marktwirtschaft pervers“ und die Grünen, die jetzt im Zuge ihrer Großen Anfrage an die Bundesregierung zum Einstieg von Daimler bei dem Münchener Rüstungs-, Luft und Raumfahrtkonzern vor der „Schaffung“ eines „Staates im Staate“ warnten?
All das trifft nur halb. Denn gerade die Perversitäten zeigen, wie weit der Zug in Richtung auf ein eigenes Entscheidungszentrum in Stuttgart in Sachen Rüstungspolitik bereits abgefahren ist, wenn sich heute das Bundeskabinett in einer Sondersitzung zur Verabschiedung einer Kabinettsvorlage zusammensetzt. Darin schlägt Bangemann vor, daß der defizitäre Airbus-Bereich aus MBB ausgegliedert wird, damit Daimler-Benz ein profitables MBB-Unternehmen übernehmen kann, das zudem zur Zeit mit einem satten Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums („Jäger 90“) ausgestattet ist. Ursprünglich wollte der Bund den 52prozentigen Anteil der öffentlichen Hand bei Daimler privatisiert wissen, gerade um die lästigen Milliarden -Subventionen für den MBB-Ableger Deutsche Airbus loszuwerden. Nach der bis heute gültigen Kabinettsvorlage steigt der Bund über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erst richtig ins Verlustgeschäft von Airbus ein, um den Stuttgartern eine cleane MBB anzudienen: über eine Kapitalerhöhung soll Daimler 30 Prozent des Münchner Unternehmens übernehmen (Option auf 50 Prozent). Dafür steigt die KfW mit 20 Prozent an der neuzuschaffenden defizitären MBB-Tochter für zivile Luftfahrt ein.
Darüberhinaus will Bangemann jedoch auch, daß direkt aus dem Bundesetat Ausgleichszahlungen an die Airbus-Produzenten fließen sollen für den Fall, daß aufgrund eines niedrigeren Kurses der Verkaufswährung US-Dollar weniger Mark in die Airbus-Kassen fließen. Die Modelle A300/310/320 waren von 1988 bis 1996 zu einem Wechselkurs von 2,00 DM/Dollar kalkuliert, die neueren Jets A330/340 von 1992 bis 2000 mit 1,80. Bonn will jetzt alle Verluste ausgleichen, die von einem Dollarkursverfall bis auf 1,60 DM herunter verursacht sind.
Das könnte die Bundesregierung über die bislang ausgezahlten (5,5 Milliarden DM) und fest zugesagten (5,1 Milliarden DM) Airbushilfen zusätzliche 4,3 Milliarden Mark kosten. Der Haushaltsexperte der CDU/CSU-Fraktion Bernhard Friedmann fühlt sich jetzt hintergangen. Die Herausnahme des unternehmerischen Risikos von Airbus aus MBB bedeutet für ihn, daß „dann eigentlich die Geschäftsgrundlage für den Jäger 90 entfiele“. Dieses Projekt hatte der Bund nach Auffassung Friedmanns nur an MBB vergeben, um im Zuge der Mischkalkulation die Verluste bei Airbus auszugleichen. Von der Größenordnung her wäre es durchaus geeignet dazu: Auf 43 Milliarden Mark wird das Beschaffungsvolumen geschätzt.
Schon jetzt sind sie mit 67,5 Milliarden Mark Umsatz (1987) und 326.000 Beschäftigten das mit Abstand größte Unternehmen der Republik. Mit 3,13 Milliarden Mark zahlen sie dabei doppelt soviele Steuern wie Steuerzahler Nr.2, die Hoechst AG. An die Sozialversicherungen gingen 4,249 Milliarden Mark im vergangenen Jahr aus dem Hause Daimler. Mit einer Beteiligung von MBB wird der Umsatz auf 73 Milliarden ansteigen. Zum Bruttosozialprodukt der BRD wird der Konzern nach Berechnungen der Grünen nahezu vier Prozent betragen.
Die ganze Macht des neuen Konzerns wird jedoch erst richtig klar, wenn man sich die Konsequenzen für die Rüstungsbranche vor Augen hält, von deren Wettbewerb untereinander schließlich die Beschaffungskosten des Verteigigungsetats abhängen. Schon jetzt vereinnahmt der Daimler-Trust 40 Prozent aller Bonner Rüstungsaufträge. CDU-Friedmann wird angst und bange bei dem Gedanken, daß demnächst 70 Prozent aller Entwicklungsausgaben und 60 Prozent aller Beschaffungsausgaben von dem neuen Daimler-Konglomerat vereinnahmt werden.
Der Daimler-Chef klagte kürzlich im ZDF, die Zeiten, da Rüstungsaufträge mit Gewinn abgewickelt werden konnten, seien vorbei. Heute würden die Rüstungsaufträge zu Selbstkosten vergeben, und es sei fraglich, ob sich ein Gewinn ergebe. Dazu Friedmann: „Tatsache ist, daß sowohl der Jäger 90 wie alle anderen Rüstungsprojekte dieser Art auf Selbstkostenbasis vergeben werden. Dieser Selbstkostenpreis setzt sich zusammen aus den tatsächlichen Kosten plus fünf Prozent Gewinn. Der Gewinn wird als Kostenfaktor eingeplant.“ Nach Friedmann ergibt sich daraus eine ganz einfache Rechnung: Je höher die Kosten, desto größer ist auch der Gewinn.
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