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Nicht überrascht

Bestürzt, aber keineswegs überrascht, bin ich als eine in Deutschland lebende Jüdin über die Ereignisse im Zusammenhang mit der Gedenkfeier des Deutschen Bundestages anläßlich der 50jährigen Wiederkehr der Novemberpogrome. (...)

Daß der Antisemitismus nie tot war, sondern nur verdrängt wird, beweisen die jüngsten Ausführungen der Verdrängungskünstler wie Jenninger und seines Fraktionskollegen Stoiber aufs trefflichste. Zwar wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit von „Brüderlichkeit und Brücken bauen“ gesprochen, aber das Thema des Holocaust wird bis heute in der gebotenen Konsequenz nicht aufgearbeitet. Der Antisemitismus sitzt viel tiefer, aber an diese inneren Schichten wagt sich kaum jemand ran; an der Tagesordnung stehen Verdrängung, Rechtfertigung und Ignoranz.

(...) Das politische Establishment der Bundesrepublik Deutschland schweigt, um das Gesicht zu wahren, die jüdischen Institutionen schweigen, um den „Dialog“ nicht zu belasten, und merken dabei nicht, daß Schweigen auch immer eine Form von Eingeständnis, Billigung und Anpassung ist. Diese Ereignisse offenbaren mehr denn je einen Mangel an kritischer Auseinandersetzung auch innerhalb der jüdischen Kreise. Um nicht zu einer Minderheit in einer Minderheit zu werden, ist es zwingend notwendig, einen Freiraum für kritische Juden zu schaffen. (...)

Gabriella Meros, München

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