: ZARTES KLANGGEWEBE
■ Christina Kubischs „Kraterzonen“ im Keller Monumentenstraße 24
Dieser Keller, ein mittlerweile erprobtes Inszenierungsfeld, ist schon monumental: mehr Halle mit einer hohen Decke als ein Kellerraum, in der Mitte durchzogen von zwei backsteingemauerten Säulenreihen, die an ägyptische Tempelanlagen und an Nazi-Architektur erinnern. Auf jeden Fall lassen diese Proportionen Menschen immer ein paar Nummern kleiner werden.
Entsprechend zwergig wie bei Schneewittchen tapsen die Besucher durch die Dunkelheit des gruftigen Keller -Klangraums, ausgerüstet mit Taschenlampen, mit denen man der Neugierde nach technischen Details der Installation nachgehen oder kurz mal anderen ins Gesicht leuchten kann. Die Augen gewöhnen sich langsam an das Dunkel, Wände und Boden sind von derselben grau-schwarzen Nicht-Farbe, einfach duster. Der Boden ist überzogen von knallig leuchtenden Linien. Weißes Lautsprecherkabel unter Schwarzlichtlampen. Wie Umrisse von zufälligen Klecksen, Konturen von imaginären Inseln und Kontinenten oder auch ausgefransten Kraterrändern sieht das aus. Diese weichen, knautschigen Linien stehen in augenfälligem Kontrast zur strengen Rechtwinkeligkeit des Raumes. Aber sie hat diesen Kontrast gar nicht bewußt beabsichtigt, sagt Christina Kubisch, sondern bloß das Lautsprecherkabel entlang der Risse und Sprünge im Boden verlegt.
Aus kleinen Lautsprechern am Boden, an denen die Kabel jeweils zusammenlaufen, dringen recht verhalten Geräusche metallischen Charakters. Es schabt, quietscht, reibt und kratzt, keine Schläge. Die eher hohen Frequenzen dieser Geräusche sind unterlegt vom dumpfen Gemurmel der Besucher.
In diesem kargen, kalten Raum wirken die Klänge so zart und fein, wie kleine Geister aus Flaschen steigen sie vom Boden auf und schweben durch den Raum. Aus den in der Dunkelheit nicht zu ortenden Quellen entstehen Klangfigurationen, die in Wellen anschwellen und wieder abebben. Eine Eisenkugel scheint von rechts in meine Richtung zu rollen, wird lauter und ist dann weg.
Gut, daß Christina Kubisch nicht der Versuchung erlegen ist, diesen monströsen Raum ganz auszufüllen und mit lautem Spektakel vollzupacken. Ihre Klänge und Geräusche sind sehr verhalten und zurückgenommen, ein leichtes akustisches Gewebe, das den ursprünglichen Raum so beläßt wie er ist und sich vorsichtig und tastend in ihm bewegt.
Der Reiz liegt in der erhöhten Aufmerksamkeit, die sich in der Dunkelheit einstellt, das Ohr hört genauer hin. Und wer kennt nicht das mulmige Gefühl in einem dunklen Keller, das mit geschärfter Wahrnehmung einhergeht, wo man dann was hört, nicht so recht weiß, was es ist und von woher es kommt, und überhaupt.
Wolf-Peter Stiftel
Kunstverein Giannozzo: Christina Kubisch „Kraterzonen“. Keller Monumentenstraße 24, 1-61. Täglich von 17 bis 20 Uhr, noch bis Sonntag, 27. November.
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