■ SONNABEND: Aus der Traum/Wind und Sterne/Die 60er Jahre/Schlacht am Tegeler Weg/im Berliner Theater des Westens...
Jedes Jahr locken Reiseunternehmen ihre Kundschaft mit idyllischen und geheimnisvollen Bildern auf die Südseeinseln, aber das Leben der Einheimischen hat nichts mit dieser Reklame-Welt zu tun. Ihr Alltag ist von Arbeitslosigkeit, hohen Selbstmordraten und den Auswirkungen der Atomtests geprägt. In einem Dokumentarfilm von Helmut Herr Aus der Traum geht es in der ARD um 13 Uhr 45 um das Leben auf den Südseeinseln. Dabei wird die idealisierte Vorstellung der Europäer von diesem Inselreich zwischen Amerika, den Philippinen und Australien mit den dortigen realen Verhältnissen konfrontiert.
In die Südsee zurückgekehrt ist mittlerweile auch wieder Captain James Cook, der auf seiner letzten Reise den Tod finden wird. Die Besatzung hat abermals mit Widrigkeiten zu kämpfen: der Kapitän ist jähzornig und rechthaberisch, das Schiff sitzt fest im Packeis, und die Einheimischen behandeln die Entdecker wie Eindringlinge. Wind und Sterne, die letzte Folge des vierteiligen Fernsehfilm, um 20 Uhr 15 von der ARD.
In der Serie Die 60er Jahre geht es um 20 Uhr 15 in der Nordkette um die Studentenrevolte. Genauer um die Schlacht am Tegeler Weg, die am 4.November 1968 in Berlin stattfand. Diesem Ereignis war die Verhaftung des APO-Anwaltes Horst Mahler vorausgegangen, für den der Staatsanwalt Berufsverbot forderte. Aus diesem Grund versammelten sich in der Nähe des Justizpalastes ungefähr 1.000 Menschen zu einer militanten Demonstration, während der 130 Polizisten und 21 Demonstranten verletzt wurden. Dieser vermeintliche „Sieg der Straße“ wurde schnell zum Mythos der 68er-Bewegung.
Nach der Devise, was Jack Lang kann, das kann Kultursenator Hassemer schon lang, handelt derzeit der für Film zuständige Senator der Möchtegern-Filmstadt Berlin. Aufgrund seiner Initiative wird am Samstag im Berliner Theater des Westens zum ersten Mal der „Europäische Filmpreis“ verliehen, mit dem Hassemer Promotion für den Europäischen Film machen will. Da will er dem französischen Kultusminister Lang in nichts nachstehen, der den amerikanischen Kino-Multis den Kampf angesagt hat. Daß der amerikanische „Kulturimperialismus“ aber viel weiter ist als die billigen Serienimporte, dafür ist das Spektakel, das vom ZDF live übertragen wird, ein deutlicher Beleg. Eine Galaveranstaltung soll es werden mit internationalen Stars genau so, wie das die Amerikaner mit ihrem „Oscar“ seit 1929 zelebrieren. Zwar hat der europäische „Gegen-Oscar“ noch keinen Namen, dafür aber ist bereits eine 50 Zentimeter hohe und sechs Kilogramm schwere Bronzestatue vorhanden – ein Jüngelchen mit Taube im Arm –, mit dem die Filmbesten aus zwölf Sparten geehrt werden sollen. 5,5Millionen Mark kostet die Glamour-Show, die von der Eurovision zur besten Sendezeit um 20 Uhr 15 übertragen wird und 300 Millionen Zuschauer erreichen soll. Das Nominierungskommitee, das die Vorauswahl der Filme traf, hat es der siebenköpfigen Jury mit der französischen Schauspielerin Isabelle Huppert als Präsidentin nicht leicht gemacht. Immerhin konkurrieren Filme wie Der Himmel über Berlin (Wim Wenders), Auf Wiedersehen, Kinder (Louis Malle), aus Spanien El Bosque animado (Jose Luis Cuerdas), aus England Distant Voices, Still Lives (Terence Davies), aus Rumänien Jakob (Mircea Daneliuc), aus Polen Kleiner Film über das Töten (Krzysztof Kieslowski) und aus Dänemark Pelle der Eroberer von Billie August um die beiden Hauptpreise, die mit 100.000 Mark dotiert sind. Ob Europas Sterne nun wirklich strahlen (so das Motto der „Grand Prix“-Verleihung) oder ob aus dem Sternenhimmel nur eine Glitzerparade wird, das ist auch davon abhängig, ob die vielen eingeladenen Gäste wie Joan Collins, Jean Paul Belmondo, Roman Polanski, Claude Lelouch, Melina Mercouri und andere auch leibhaftig erscheinen. Ganz wie bei der amerikanischen Oscar-Verleihung soll in der 120minütigen Berliner Adaption die Show im Mittelpunkt stehen. Und wenn es dann gelingt, so der Anspruch, den europäischen Film in seiner authentischen Vielfalt und Qualität zu demonstrieren, dann heißt es am Ende des Rummels: and the winner is Mr.Volker Hassemer.
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