Berliner SPD enttarnt Agenten

Mitarbeiter des Verfassungsschutzes horchte in den vergangenen Wochen sicherheitspolitischen Sprecher der SPD aus / Berliner Innensenator dementiert nicht / Spion kontaktierte auch taz-Redaktion  ■  Aus Berlin Rita Hermann

Ein Geheimdienstmitarbeiter hat den sicherheitspolitischen Sprecher der Berliner SPD-Fraktion, Erich Pätzold, in den vergangenen Wochen wiederholt ausgehorcht. Dies kann nach der gestrigen Innenausschußsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses als gesichert gelten. Demnach wäre auch die taz weiterhin begehrtes Objekt der staatlichen Ausspähung. Denn der junge Mann, der nach den Protesten während der IWF-Tagung per Schnellgerichtsverfahren zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, hatte sich auch an die taz gewandt. Er verlangte eine Gegendarstellung, weil durch die taz-Berichterstattung sein Ruf in der Szene ruiniert sei. Alle Angaben, die Erich Pätzold in seinen Anfragen, ob es sich bei dem Mann um einen Verfassungsschutzmitarbeiter handele, treffen auf den Mann zu.

Innensenator Kewenig nannte die Vorstellung, der wegen eines Steinwurfs verurteilte Demonstrant sei vom Verfassungsschutz zu Pätzold geschickt worden, „absurd“. Der Berliner Verfassungsschutz sei keine „Mischung von Kindergarten und Irrenhaus“. Die Frage, ob es sich bei dem Betreffenden um einen Verfassungsschutzmitarbeiter oder vielleicht einen Mitarbeiter eines östlichen Geheimdienstes handele, wollte er aber „in öffentlicher Sitzung“ nicht beantworten. Die verblüffende Begründung: Wenn er dies verneine, könne man leicht annehmen, daß in allen anderen Fällen, zu denen er die Auskunft verweigere, eine Zusammenarbeit stattgefunden habe.

Es könne ja sein, vermutete Pätzold, daß der vermeintliche Spitzel aus eigenem Antrieb zu ihm gekommen sei. Er wisse aber, daß der Mann nach jedem seiner insgesamt drei Besuche bei ihm dem Verfassungsschutzamt Bericht erstattet habe. Er habe gehört, daß auch die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen DDR-Bürger Verdacht geschöpft und beim Innensenat nachgefragt habe. Der Staatsanwaltschaft sei mitgeteilt worden, es handele sich in der Tat um einen V-Mann. Pätzold habe dem Innensenator auch dazu geraten, doch vorsichtshalber die Spionageabwehr einzuschalten.

Nach Informationen der taz ist der im Februar nach West -Berlin Abgeschobene der Sohn eines Offiziers der Nationalen Volksarmee. Er hatte selbst angegeben, daß er bereits in der DDR unter Verdacht gestanden habe, für den Staatssicherheitsdienst zu arbeiten. Er sei nach der Teilnahme an Protestaktionen der DDR-Friedensbewegung vor die Entscheidung gestellt worden, neun Jahre Knast abzusitzen oder sich abschieben zu lassen. Das jetzige Urteil im Westen gegen ihn, so sagte er der taz, sei deshalb vergleichsweise milde ausgefallen, weil er sich auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft eingelassen habe. Der Handel habe darin bestanden, daß er den Aussagen eines Polizeizeugen nicht widersprechen und im Gegenzug dazu auf freien Fuß gelassen werden sollte.

Die SPD bezeichnet diese Angaben als „Tarn-Story“. Sie ist überzeugt davon, daß ihre Kenntnisse gesichert seien. Das gestrige zögerliche Jein des Innensenators und die Weigerung der Regierungskoalition, die Vorwürfe wenigstens in geheimer Sitzung zu klären, sprechen jedenfalls dafür.