: Osterei unterm Weihnachtsbaum
■ Seit Anfang Dezember idyllt Walt Disney wieder zum Weihnachtsfilm über Bremens Leinwand, diesmal mit einer 81er Produktion zur Wild- und Haustierfreundschaft
Zwei Freunde auf acht Pfoten (Untertitel zu „Cap und Capper„
Ja, das ist rührend. Es hat alles, was es für eine Walt Disney Produktion braucht um rührend zu sein: Zart hingetuschte Grün-und-Gelb-Wälder mit himmelblauen Tümpeln, Bächlein, Wasserfällen, Tautropfen des Morgens, kuschelweiche Igelchen, knatschgesichtige Hundewelpen, die über ihre eigenen Schlappohren stolpern, dicke, putzig runde Wunderlandhäuschen mit dicken, putzig runden alten Damen drin, die sich meist eine ganze Menagerie halten, weil sie so schrecklich tierlieb sind, alte Jagdhunde und noch ältere Eulen, zähneklappernde Raupen, grantelige Dachse und langwimprige Füchsinnen. Sonne im Sommer, Regensturm im Herbst, flirrendweiße Schneetupfen im Winter. Die Welt ist noch in Ordnung. Das ist gut. Zu Haribos Kino -Hartlakritz oder Eiskonfekt schaut man sich gern mal eine Welt an, die noch in Ordnung ist.
Und rührend ist es, weil man weiß, daß es nie so war, daß wir es alle gern so hätten und daß es nie, nie, nie so sein wird. Auch das ist gut.
Von zum Bremer Kinostart gemieteten Werbeflächen herab spielen die zwei wildbraunen Schmusehelden Cap, der Fuchs, und Capper, der Jagdhund (das nämlich ist das Problem an der Freundschaft auf acht Pfoten) die 88er Disney-Engel aus dem Zeichentrick-Tierhimmel: Der Weihnachtsfilm für die ganze Familie, steht da. Hach, ja, das ist genau, was arbeitsmüde Menschen brauchen vor dem Fest. Kleine Happen nie dagewesener Bunt-Idylle für die bürgerliche Rekreationseinheit Papa-Mama-Kind. Guck mal, wie schööööön.
Wer allein hingeht wie jene Filmkritikerin, die ihr Tagwerk vollbracht und bloß noch schlichte Kuscheltexte wollte wie Linus seine Schmusedecke: Auch ohne Papa und Kind ist's mächtig herzig. „Cap und Capper“ ist ei
ner dieser typischen Disney-Texte, deren Signifikanten einen treffsicher denken machen an: selbstgebackene Weihnachtsplätzchen, offene Kamine, Blumenblühwiesen, den letzten Mohikaner, Kakao mit Sahne, Badewanne, rosa Herzen und plüschige Tierpelze.
Auch der Vorfilm (das Disney-Orchester spielt „Tempest“ von William Tell nach Noten und mitten im Wirbelwind) hat seine Reize. Nur Amerikaner werfen europäische Hochkultur so unbefangen durcheinander.
„Cap und Capper“ ist dabei weniger ein Weihnachtsfilm (die hübschen Schneetupfen flocken nur ganz selten über die Malvorlage) als vielmehr ein Osterei. Ständig ist Frühling: Blumen, Freundschaft, Liebe und alles Gute blühen. Winterherbst ist kalt und böse. Aber Weihnachten sind wir alle nachsichtig. Wir legen uns zur Not auch ein buntes Osterei untern Baum.
Petra Höfer Tägl. im UT 1, 14, 17, 20 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen