: Rat & Tat wird sechs
■ Verweigerung von HIV-Tests empfohlen / Schwulenzentrum als ständiges Mitglied im Beirat für NS-Entschädigungen
Zu einer Verweigerung der HIV-Antikörpertests hat das Zentrum für Homosexuelle „Rat und Tat“ aufgerufen. Die Initiative hatte sich in der Vergangenheit aktiv an der Erarbeitung des Bremer Betreuungsgesetzes für Aidskranke beteiligt und führt auch selbst umfassende Beratungen und Betreuungen bis hin zur Sterbebegleitung durch. Ihr Aidsberater, Jörg Kaminski, begründete den Aufruf mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Anfang November. Danach sind die von ihrer HIV-Infektion wissenden Menschen allein dafür verantwortlich, daß sich der Sexualpartner bei ihnen nicht infiziert. „Da auch das Praktizieren von Safer Sex nicht mehr vor Strafe schützt, bedeutet dies praktisch ein Sexualverbot für Infizierte“, so Kaminski.
Er befürchtet, daß nun intime Beziehungen unter Homosexuellen beliebig zum öffentlichen Gegenstand erklärt werden könnten und „Denunziation und Erpressung Tür und Tor geöffnet ist“. Darüber hinaus könne die Anonymität der Daten nicht gänzlich sichergestellt werden. Unter diesen Bedingungen könne von den Tests nur abgeraten werden.
Das Rat und Tat-Zentrum feierte gestern sein 6jähriges Bestehen. Statt der vorgesehenen Bilanzierung der Arbeit im zu Ende gehenden Jahr stand der Blick in die Zukunft im Vordergrund. Und die sieht nicht gerade rosig aus. Wie viele andere Projekte in Bremen ist auch das Zentrum von den geplanten Veränderungen des Arbeitsförderungsgesetzes betroffen. Die Verlängerung der AB-Maßnahme für Kulturarbeit ist ausgesetzt, die beiden verbleibenden Maßnahmen sind Mitte des kommenden Jahres beendet - ohne Aussicht auf Verlängerung. „Dies führt dazu, daß wir unser Angebot an kulturellen und politischen Veranstaltungen deutlich einschränken müssen“, bedauert Jörg Hutter vom Rat und Tat
„Vorstand.
Auch die Durchführung eines weiteren Projekts steht in den Sternen: Vom 15. bis 29. Juni des kommenden Jahres soll erstmalig eine „rein homosexuelle Gruppe“ das Konzentrationslager in Auschwitz besuchen. Die Fahrt soll mit der Aktion Sühnzeichen durchgeführt werden, droht jetzt aber an den Kosten von über 1000 Mark pro Person zu scheitern. Eine Reihe von Weiterbildungsträgern hat aus unterschiedlichen Gründen eine finanzielle Förderung abgelehnt. „In deren Förderungskriterien gibt es immer wieder irgendwelche Raster, durch die wir durchfallen“, sagt Jörg Hutter. Die Landeszentrale für politische Bildung hat sich erst gar nicht zu einer finanziellen Förderung geäußert - stattdessen wollte sie lediglich geeignete Literatur für die Reise zur Verfügung stellen.
Als wichtigen Erfolg der Arbeit im vergangenen Jahr nannte Hutter die Zusage Bürgermeister Wedemeiers, daß das Zentrum für Homosexuelle als ständiges Mitglied im Beirat für die Beratung von Zuwendungen an NS-Opfer vertreten sein soll. Wenn die Bremer Bürgerschaft den Haushalt in der vorliegenden Form beschließt, werden im Rahmen eines Härtefonds für vergessene Opfer des Nationalsozialismus im kommenden Jahr 190.000 Mark zur Verfügung stehen. Für Hutter ist die feste Beiratsmitarbeit von „Rat und Tat“ in erster Linie ein Ausdruck der Anerkennung der Homosexuellen als eine der Hauptfeindgruppen der Nationalsozialisten. Darüber hinaus ist sie nach seiner Auffassung eine intensive Ermutigung für alle betroffenen Homosexuellen, ihr Schicksal öffentlich zu machen. Hutter: „Mußten die Homosexuellen jahrzehntelang erleben, daß ihre Anträge auf sog. Wiedergutmachung abgelehnt wurden, werden sie jetzt den nötigen Rückhalt finden.“ om
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