: Irland bremst IRA-Auslieferungen
Das irische Parlament beschloß gestern eine Verlängerung des Auslieferungsgesetzes für Großbritannien ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Das irische Parlament beschloß gestern mit großer Mehrheit eine Verlängerung des Auslieferungsgesetzes, dessen Gültigkeit am 14.Dezember ablief. Die Debatte fand unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt, weil das Anti Auslieferungskomitee eine Demonstration vor dem Parlamentsgebäude „Leinster House“ veranstaltete.
Das Auslieferungsgesetz, das im Dezember 1987 verabschiedet wurde, war Voraussetzung für Irlands Beitritt zur Europäischen Konvention gegen Terrorismus, die den Schutz vor Auslieferung bei „politisch motivierten Straftaten“ abschaffte.
Doch das irische Parlament hat eine „Sicherung“ in das Gesetz eingebaut: bei Auslieferungsgesuchen Großbritanniens muß der britische Generalstaatsanwalt Beweise vorlegen, die von seinem irischen Amtskollegen überprüft werden. Diese „Spezialbehandlung“ hatte bei der Thatcher-Regierung Empörung hervorgerufen.
In einem Brief an den irischen Premierminister Haughey forderte Thatcher gestern die Rücknahme dieser Klausel, die nach Ansicht der britischen Regierung für die bisherigen Schwierigkeiten bei Auslieferungen „mutmaßlicher IRA -Terroristen“ verantwortlich ist. In ihrem Brief verlangte Thatcher außerdem die Auslieferung des irischen Pfarrers Patrick Ryan, dem in Großbritannien Verbindungen zur IRA vorgeworfen werden. Ryan ist vor elf Tagen von den belgischen Behörden aus der Auslieferungshaft entlassen und nach Irland abgeschoben worden, wo er seitdem von Polizei und Justiz unbehelligt blieb.
Frau Thatcher reagierte auf das Verhalten der Regierungen in Brüssel und Dublin mit einem Wutausbruch vor dem britischen Unterhaus, der selbst von ihrem konservativen Amtsvorgänger Heath scharf kritisiert wurde. Heath sagte, Thatcher sei von ihrem Kampf gegen den Terrorismus besessen und bereit, dafür Bürgerrechte zu opfern.
In Irland stießen Thatchers verbale Entgleisungen auf Entrüstung. Am Samstag demonstrierten 2.000 Menschen in der Dubliner Innenstadt gegen Pfarrer Ryans Auslieferung, über die der irische Generalstaatsanwalt jetzt zu entscheiden hat. Ryans Bruder Joe bezeichnete Thatcher als Europas „größte demokratisch gewählte Terroristin“ und erinnerte an zahlreiche IrInnen, die trotz äußerst dürftiger Beweise von britischen Gerichten zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden.
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