: Eine „geschändete Landschaft“ renaturieren
Internationale Bauausstellung für das nördliche Ruhrgebiet gewinnt Konturen / Landesregierung will bis 1991 31 Millionen Mark für Planung zur Verfügung stellen / Von Berliner IBA „inspiriert“ / Minister Zöpel gegen Mammuteinkaufszentrum in Oberhausen ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Das Lästern über die Emscher, die dreckigste Kloake des Reviers - „wat machste, wenne am Sonntag en Film entwickeln muß? Inne Emscher halten, woll“ -, hat möglicherweise in den 90er Jahren ein Ende. Jedenfalls weckte Christoph Zöpel, nordrhein-westfälischer Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr am Montag bei der Vorstellung des „Memorandums“ zur „Internationalen Bauausstellung Emscher -Park“ solche Hoffnungen.
Die geplante Bauausstellung für den Emscher Raum umfaßt ein von Dortmund bis Duisburg reichendes, etwa vierzig Kilometer langes, mehrere Kilometer breites Gebiet. Hier soll in Form eines „durchgehenden bandförmigen Landschaftsparkes“ die „geschändete Landschaft“ (Zöpel) erneuert und das gesamte Emscher-System ökologisch umgebaut werden. Unter dem Motto „Arbeiten im Park“ sollen neue, architektonisch anspruchsvolle Gewerbegebiete entstehen und das Gebiet entlang des Rhein-Herne-Kanals zu einem „Erlebnisraum Leben und Wohnen am Wasser“ neugestaltet werden. Das Projekt sei, so heißt es in dem Memorandum, „ohne Zweifel von der Berliner Bauausstellung inspiriert“, betone aber noch stärker „städtebauliche und gesellschaftspolitische Anliegen“. Man will „die ökologische Frage in den Mittelpunkt als Voraussetzung für neue Formen von Arbeiten, Wohnen und Kultur“ stellen. Schon im Planungsprozeß soll sichergestellt werden, daß jedes Vorhaben mit einem „ökologischen Nettogewinn“ abschneidet. Für die Planungsphase bis 1991 stellt die Landesregierung der „Planungsgesellschaft“, einer noch zu gründenden GmbH, 31 Millionen Mark zur Verfügung.
Insgesamt, so Zöpel, erwartet die Landesregierung, daß durch die „IBA-Emscher-Park“ private und öffentliche Mittel von etwa drei Milliarden Mark „bewegt werden“. Ein Sonderprogramm wird es nicht geben. Alle Projekte können nur mit den üblichen Fördersätzen rechnen. Diese finanzielle „Nullausstattung“ haben die NRW-Grünen inzwischen heftig kritisiert. Die IBA-Projekte könnten so „allenfalls zu Lasten anderer, oft ebenfalls dringend nötiger Maßnahmen zustandekommen“. Zwar begrüßen auch die Grünen grundsätzlich die Idee der IBA für die Emscher-Zone, in der gegenwärtigen Form können sie darin aber nichts weiter als einen sozialdemokratischen „Etikettenschwindel mit ökologischen Versatzstücken“ erkennen.
Wie ernst die Landesregierung die im Zusammenhang mit der „IBA-Emscher-Park“ proklamierte ökologische Erneuerung tatsächlich nimmt, wird sich weniger am Geld für die IBA, als am Umgang mit den vier kanadischen Brüdern Ghermezian ablesen lassen. Die vier aus Kanada wollen mit ihre „Triple Five Corporation“ ausgerechnet in der Emscher-Zone in Oberhausen ein gigantisches Einkaufs-und Freizeitzentrum errichten. Ganz Oberhausen steht inzwischen Kopf, wähnt sich schon als „Superhausen“, als neue weltweite Pilgerstätte für Konsumbesessene.
Auf 100.000 Quadratmeter des ehemaligen Thyssen-Geländes wollen die Kanadier 2,5 Milliarden investieren. Einkaufszentren, Hotels, Museen sind auf dem Reißbrett ebenso vorgesehen wie ein Schwimmbad, ein Hafen und ein sogenannter Erlebnispark. Im kanadischen Edmonton steht bereits eine etwas kleinere Version, die „West Edmonton Mall“. Eine Oberhausener Delegation unter Führung des Oberbürgermeisters Friedhelm van der Mond ist am Montag begeistert von einer Expedition aus Kanada zurückgekehrt. Man hofft auf 15.000 bis 20.000 Dauerarbeitsplätze. Oberstadtdirektor Uecker: „Wir wollen das Projekt in Oberhausen und hoffen auf den Sachverstand unserer Nachbarstädte.“ Die bangen um ihre Einkaufsstraßen. Für die Oberhausener Anlage rechnen die Kanadier mit 24 Millionen Besuchern im Jahr, etwa 50.000 am Tag. Eine gewaltige zusätzliche Blechlawine auf den Autobahnen des Ruhrgebietes wäre die Folge. Dabei rechnen die Investoren fest mit entsprechenden infrastrukturellen Vorleistungen - z.B. eine Autobahnanbindung - des Staates.
Für die Düsseldorfer Landesregierung kommt es zur Nagelprobe. Minister Zöpel selbst hat zwar „außerordentliche Bedenken“ gegen das Oberhausener Projekt, denn „die Konzentration von Einkaufsmöglichkeiten ist mit der derzeitigen Politik zur Stärkung von Stadtteilzentren nicht vereinbar“, aber die örtlichen Genossen drängen vehement. Unterstützung erhalten sie von Edmontons Bürgermeister, der der Delegation aus dem Pott versicherte, die Gebrüder Ghermezian würden aus Oberhausen ein „Superhausen“ machen.
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