: Früherer Tod durch Sarg-Deo?
■ In Einäscherungsanlagen entsteht Dioxin durch chlorhaltige „Sarghygiene„-Mittel / 20mal mehr Gift als in hochbelasteten Müllverbrennungen / Alternative Liste fordert Maßnahmen
Zu Lebzeiten sprüht der Mensch mit seiner Efcehkahweh -Spraydose Löcher in den himmlischen Ozon und auch nach seinem Ableben führt der Hygienewahn zu schweren Umweltbeeinträchtigungen. Aus dem „Sarghygiene„-Mittel Paradichlorbenzol, von dem zur Geruchsüberdeckung ein knappes halbes Pfund in jede Kiste gestreut wird, entwickelt sich bei der Verbrennung im Krematorium giftiges Dioxin.
Das Bundesgesundheitsamt (BGA) hat jetzt im Weddinger Krematorium gemessen, die AL hat es veröffentlicht und egal ob Müll, ob Mensch - mit der Müllverbrennung Ruhleben verglichen: Der Dioxingehalt in der Filterasche des Krematoriums lag laut AL für die besonders hochgiftigen Dioxinisomeren (90 Mikrogramm/Kilo) „fast 20mal höher als beim Müll“ (5 Mikrogramm/Kilo). Der Senat solle Luft und Boden in der Umgebung der Einäscherungsanlagen messen und das Paradichlorbenzol aus den Särgen verbannen. 100 Tonnen von dem Zeug, von dessen Verwendung in Toilettensteinen das BGA schon seit langem abrät (Gewässerbelastung) geraten so bundesweit jährlich in die Umwelt. Der Grund: Der Stoff fällt bei der Bayer AG als Abfall bei der Kunststoffertigung an. Statt teuer zu ensorgen, kann der Konzern es dieserart auf Friedhöfen deponieren beziehungsweise verbrennen lassen
-und verdient noch dabei.
Beim Umweltsenator sind die BGA-Messungen nicht bekannt; man wolle den Sachverhalt jedoch prüfen und dann bei den drei Krematorien Wedding, Ruhleben und Wilmersdorf rauchgasseitig Messungen und Maßnahmen einleiten, hieß es. Für die Verwendung des Paradichlorbenzols sei jedoch nicht der Umwelt-, sondern der Innensenator im Rahmen der Regelung des Leichen- und Bestattungswesens zuständig.
Die freie Wirtschaft wartet nicht bis zur Klärung von Behördenkompetenzen: Nachdem ein Rundschreiben des BGA sie auf das Problem aufmerksam gemacht hatte, so eine Sprecherin des Bestattungsriesen Grieneisen, „erproben wir Kampferpulver, das ist ja ein natürlicher Stoff“.
Die Innenausstattung der Särge, die Leichenhemden sowie Beschläge bestünden ebenfalls aus „naturverträglichen“ Materialien.
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