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An Pieke Biermann-betr.: "Deutsche Fragen - offene Wunden", taz vom 8.12.88

betr.: „Deutsche Fragen - offene Wunden“, taz vom 8.12.88

Auch mich hat der Zorn über die taz schon oft gepackt. Übel geworden ist daran, daß dieser Zorn gewohnheitsmäßige Züge angenommen hat. Ich habe mir schließlich oft nicht mehr die Zeit genommen, die Texte, die mich so maßlos ärgerten aufmerksam genug zu lesen. Das hat mich nachlässig darin gemacht, mich mit den Gefühlen und Gedanken auseinanderzusetzen, die solche Texte in mir auslösten, um wirklich zu einer Klärung zu kommen. Ja, es setzt das Gespür für die alltäglich angewendete Sprache in den übrigen Artikeln - und auch in anderen Spracherzeugnissen - herab.

Sowas führt dazu, daß auch ich mich zuweilen mit unklarer Wahrnehmung und ungenauem Denken zufriedengebe - und entdecken muß, daß meine Empfindlichkeit gegenüber dem Unerträglichen abgestumpft ist.

Du hast die Mühe auf dich genommen, in klarer und unmißverständlicher Weise die Wirkung der Sprachpolitik der unmenschlichen Provokationen darzustellen. Über den Schaden, den diese Sprachpolitik anrichtet, will ich mir und anderen Rechenschaft geben mit diesem Brief.

Die Gedanken, bei denen du angesetzt hast, sind auch für mich in der Auseinandersetzung um den Zusammenhang von Antisemitismus, Rassismus und Sexismus von großer Bedeutung (aus Geschlecht und Tätigkeit, ich füge noch das Alter hinzu: geboren 1933). Ich fühle mich von einem unerträglichen, dumpfen Bewußtseinszustand befreit, weil du diese Gedanken so klar zu Ende geführt hast.

Anna Masuch, Hannover 91

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