: Verfassungsschutz auch revolutionär?
Die AL verfügt über „gesicherte Erkenntnisse“, daß das Berliner Landesamt eine linke Splitterpartei gründen wollte, um ihr politisch zu schaden / Untersuchungsausschuß nimmt heute seine Arbeit auf ■ Aus Berlin Till Meyer
Heute nimmt der parlamentarische Untersuchungsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses zur „Aufklärung von möglichen Fehlentwicklungen beim Landesamt für Verfassungsschutz“ seine Arbeit auf. Dabei wird sich der Ausschuß auch mit der Frage beschäftigen müssen, ob das Berliner Landesamt die Gründung einer linken Splitterpartei initiierte, um der AL politisch zu schaden.
Unter Punkt 7 des Untersuchungsauftrags fragt die AL, ob „es zutrifft, daß wenigstens ein V-Mann oder sonstige Mitarbeiter des Berliner Verfassungsschutzes an dem Gründungsversuch einer 'Linken Liste Kreuzberg‘ beteiligt waren?“ Hintergrund dieser Frage an den Untersuchungsausschuß: Mit revolutionären Sprüchen auf Plakaten und Flugblättern hatte eine „Initiative für eine revolutionäre Partei“ in Kreuzberg „alle Interessierten“ zu einer Gründungsversammlung am 16.Mai 1988 in das Berliner Alternativzentrum Meh- ringhof eingeladen.
Bereits damals kam bei der AL der Verdacht auf, daß hinter der obskuren Parteiengründung jemand ganz anderes stecken könnte. Heute weiß der Fraktionsvorsitzende der AL, Wolfgang Wieland, mehr: „Mir liegen gesicherte Erkenntnisse vor, daß diese Parteiengründung vom Berliner Landesamt für Verfassungsschutz angeschoben wurde, um der AL in Kreuzberg zu schaden.“
Auf den Einladungsflugblättern zur Gründungsversammlung war seinerzeit Markiges versprochen worden: Eine Partei müsse her, die dem Reformismus der AL eine revolutionäre Alternative entgegensetzen könne. „Die Existenz der AL ist lediglich ein taktisches Manöver der Bourgeoisie, um eine revolutionäre Bewegung zu verhindern“, hieß es da.
Die „Alternative“ sollte nach dem Willen des Initiators „Kreuzberger Liste“ heißen und hatte sich neben der „antikapitalistischen Arbeit auf marxistisch/leninistischer Grundlage“ die „Zerschlagung des Staates“ und „wegen der Signalwirkung“ den Einzug in die Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung vorgenommen. Die Gründungsversammlung verlief dann allerdings ausgesprochen chaotisch. Dennoch wurde für den 6.Juni zu einer zweiten Versammlung eingeladen. Kurz darauf jedoch ist die „Revolutionäre Partei für Kreuzberg“ mangels Interesse eingestellt worden.
„Hier geht womöglich jemand ganz anderes mit bekanntem ML -Vokabular auf Stimmenfang“, hatte die AL damals schon gemutmaßt. Zielauftrag der „Liste“, so der Verdacht, war wohl eher, Verwirrung zu stiften, Leute auszuforschen und die AL als stärkste Partei in Kreuzberg zu schwächen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen