Washingtons Palästina-Politik ist in Bewegung geraten

Ein seit dreizehn Jahren gültiger Eckstein der US -amerikanischen Nahost-Politik ist gefallen. 1975 hatte der damalige Außenminister Kissinger der israelischen Regierung zugesichert, Washington werde solange nicht mit der PLO reden, wie die Organisation nicht den Staat Israel und die UNO-Resolutionen 242 und 338 anerkenne. Die Reagan -Administration fügte die Forderung hinzu, die PLO müsse „dem Terrorismus abschwören“. Arafat hat nach Ansicht von Shultz diese Bedingungen mit seinen Äußerungen auf der Pressekonferenz, die er am Mittwoch abend in Genf gab, erfüllt. Arafats Erklärung habe nicht mehr die „Zweideutigkeiten“ bisheriger Äußerungen enthalten. Der künftige Dialog, mit dem ausschließlich der US-Botschafter in Tunesien, Robert Pelitrow, beauftragt werde, stelle „einen Schritt hin zu direkten Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien“ dar, sagte Shultz weiter.

Die Ankündigung aus Washington zieht einen Schlußstrich unter den Streit um Worte, den PLO und Reagan-Administration seit der Tagung des Palästinensischen Nationalrats im November heftiger führen als je zuvor. Bereits dort wurden vom Nationalrat, dem höchsten Gremium der Palästinenser, Beschlüsse gefaßt, die die Bedingungen Washingtons im wesentlichen erfüllen und von denen sich die PLO erhoffte, sie würden den Weg zu einer internationalen Nahost -Friedenskonferenz ebnen.

Doch Washington war nicht zufrieden; obendrein verkündete Shultz Ende November ein Einreiseverbot für Arafat, der vor den Vereinten Nationen in New York sprechen sollte. Dieser Beschluß wurde von der UNO einhellig - mit Ausnahme Israels

-„bedauert“.

Für eine Gruppe von fünf prominenten jüdischen US -BürgerInnen war er Anlaß, sich vor einer Woche in Stockholm mit Arafat zwei Tage lang zu treffen. In einer gemeinsam mit seinen Gesprächspartnern veröffentlichten Erklärung machte Arafat dort abermals deutlich, daß die PLO Israel anerkenne und gegen jeden Terrorismus sei. Die schwedische Regierung, die an diesem Treffen teilnahm, übernahm in den Tagen vor Arafats UNO-Rede eine wichtige Mittlerfunktion zwischen der PLO und den USA und übersandte dem PLO-Chef die Bedingungen der Reagan-Administration für die Aufnahme eines Dialogs und an die hat sich Arafat offenbar genau gehalten. Er sprach diesmal, im Gegensatz zum Vortag, auf Englisch - was ihm einige Mühe bereitete, aber auch Mißverständnisse bei der Übersetzung aus dem Arabischen ausschloß.

Gewinner Bush

In ersten amerikanischen Reaktionen auf die überraschende Wendung in der Position des US-Außenministers wurde betont, der eigentliche Gewinner des Tages heiße George Bush, könne er doch bei seiner Amtsübernahme am 20. Januar ein neues Kapitel US-amerikanischer Nahost-Diplomatie zu schreiben beginnen. George Shultz seinerseits könne mit Gelassenheit den bevorstehenden Proteststurm aus Israel über sich ergehen lassen - er scheidet ja aus dem Kabinett aus. Der konservative Kolumnist und ehemalige Reagan-Mitarbeiter Pat Buchanan, der diese Ansicht vertritt, sagte, Shultz sei heute nichts anderes übriggeblieben'als den Dialog zu eröffnen, andernfalls hätten die USA einen Verlust ihrer Glaubwürdigkeit riskiert. Die jüdische US-Bürgerin Rita Hauser, die in Stockholm mit Arafat zusammengetroffen war, äußerte sich gleich nach der Pressekonferenz von Shultz: „Ich bin wirklich sehr glücklich. Wir waren davon überzeugt, daß die Vereinigten Staaten einen Dialog mit der PLO beginnen müssen, um die verfahrene diplomatische Situation in Bewegung zu bringen.“

Die Weigerung der US-Regierung, mit der PLO zu reden, ist in Wirklichkeit der letzten Jahre wiederholt durchbrochen worden - ironischerweise vor allem deshalb, weil gerade die angeblich „terroristische“ PLO eine wichtige Rolle beim Schutz von US-Diplomaten vor Anschlägen in mehreren nahöstlicher Staaten spielte.

Kontakte seit 1974

Seit 1974 tauschten PLO und USA regelmäßig Informationen über „Sicherheitsangelegenheiten“ aus. In einem Interview mit dem Magazin 'Playboy‘ sagte Arafat, die Vorwürfe des US -Außenministeriums über PLO-Terroraktionen gegen US-Bürger seien unzutreffend: Shultz solle doch mal „die Akten in seinem eigenen State Department überprüfen und sich anschauen, wie oft die PLO amerikanische Staatsbürger geschützt hat“.

US-amerikanische Kontakte mit der PLO gehen sogar bis 1969 zurück - damals war Kissingers Verbot freilich noch nicht in Kraft -, als Arafats Mitarbeiter Abu Hassan mit dem CIA-Mann Robert Ames in Verbindung trat. Beide sind mittlerweile tot, Abu Hassan starb 1979 durch eine israelische Autobombe in Beirut, Robert Ames, Top-Mann der CIA im Nahen Osten, 1983 beim Anschlag auf die US-Botschaft im Libanon. Als 1970 ein anderer CIA-Mann versucht, Abu Hassan für die „Agency“ anzuwerben, brach die Verbindung vorübergehend ab. 1973 traf sich Vernon Walters, heute Reagans UN-Botschafter, mit einem anderen PLO-Mann in Marokko; das Treffen führte laut Kissingers Memoiren zu einem Ende von PLO-Aktionen gegen US -Bürger. Seitdem hat die PLO den USA 1976 bei der Evakuierung der US-Botschaft in West-Beirut und 1980 während der Teheraner Botschaftsbesetzung geholfen, ihre Polizeitruppe in Beirut lieferte der US-Botschaft bis zum Sommer 1982 einen gewissen Schutz, doch dann endete die Zusammenarbeit mit der Evakuierung der PLO aus der von Israel belagerten libanesischen Hauptstadt.

Stefan Schaaf