: Halbzeit für Armenien-Hilfe
■ Westliche Hilfsorganisationen legen Denkpause ein
Moskau (afp/dpa/ap) - Trotz anderslautender offizieller Beteuerungen mehren sich die Anzeichen, daß die Suche nach Verschütteten im armenischen Katastrophengebiet ihrem Ende entgegengeht. Bis Mittwoch sollen alle Frauen und Kinder aus den zerstörten Städten evakuiert sein. Viele Einwohner weigern sich allerdings, Ruinen zu verlassen, unter denen Verwandte und Freunde begraben liegen. Sie wollen nicht weichen, ehe sie sich nicht von deren Tod überzeugt haben.
Der vorerst letzte Bericht von der Bergung einer Verschütteten stammt vom Samstag. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) verstärkte am gleichen Tag noch einmal seine Luftbrücke für medizinische Geräte. Die bisher spektakulärste Aktion in diesem Rahmen ist der Transport des zwölfjährigen Armeniers Tigran zur Behandlung in die Tübinger Universitätsklinik am Sonntag abend. Der Junge, der von seinem Vater begleitet wird, hatte in Spitak schwere Quetschwunden erlitten. Ein Bein mußte bereits in Eriwan amputiert werden. Der Tübinger Chirurg Bernd Domres, der ihn bereits in Armenien betreute, will sich jetzt um die Rettung des linken Armes bemühen.
Am Sonntag unterbrach die Liga der Rot-Kreuz- und Roter -Halbmond-Gesellschaften ihre Flüge in das Erdbebengebiet für einige Tage, um herauszufinden, welche Hilfe noch sinnvoll sein kann. Der Chef des sowjetischen Roten Kreuzes, Dmitri Wenediktow, erklärte am Freitag in Eriwan, die sowjetischen Ärzte könnten die Opfer jetzt selbst versorgen.
Nachdem bereits Ministerpräsident Ryschkow Beamte des Moskauer Außenministeriums und einige örtliche armenische Behörden der Untätigkeit und Unfähigkeit bezichtigt hatte, klagte am Wochenende die sowjetische Armeezeitung 'Krasnaja Swesda‘ sogar über Korruption im Katastrophengebiet: Beamte hätten für Rettungsaktionen Bestechungsgelder genommen. In einem der betroffenen Dörfer sei es unter anderem zum Handel mit von Hilfswerken gratis verteilten Bratpfannen gekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen