Lauschte Frankreich mit?

Pariser Presse und Abgeordnete der Nationalversammlung klagen den französischen Geheimdienst in der taz-Abhöraffäre an / Abgeordnete von links bis rechts drängen auf Aufklärung  ■  Aus Paris Georg Blume

Die taz-Redaktion liegt im französischen Sektor Berlins und damit auch im Zuständigkeitsbereich des Pariser Geheimdienstes. Daß die Lauscher aus Frankreich ihre Aufmerksamkeit auch auf das taz-Gebäude richteten - daran besteht für das Pariser Wochenmagazin 'Politis‘ kein Zweifel: „Skandal in Berlin: Französische Spione belauschen die 'Tageszeitung'“, titelte die Zeitung in einem „Exklusiv -Bericht“.

Bereits in der Neujahrsausgabe hatte die Wochenzeitung 'Le Point‘ die taz-Abhöraffäre aus französischer Sicht aufgerollt: „Die Geschichte gleicht einem Mini-Watergate und verbreitet aufs neue den muffigen Geruch des Barschelskandals“, kommentiert die Zeitung, um daraufhin ungeschminkt die französische Besatzerrolle in Berlin zu analysieren: „Die Rollenverteilung bei den Geheimdiensten, die durch die Vereinbarungen von 1955 bestimmt ist, sieht vor, daß jeder der Alliierten die Bewegungfreiheit in seinem Sektor behält.“ 'Le Point‘ zieht schließlich einen „französischen Spezialisten“ zu Rate, der sich keine Illusionen mehr macht: „Bei einer solchen Affäre in Berlin gibt es keinen Zweifel, daß die Geheimdienste der Alliierten mit von der Partie sind.“ Das Satireblatt 'Canard Enchaine‘, 1973 selbst Opfer einer in Frankreich vielzitierten Abhöraffäre, sieht „starke Chancen, daß es unsere (hier: die französischen, d.Red.) Geheimdienste waren, die im Auftrag der Berliner Behörden die Abhörungen ausgeführt haben“.

Den französischen Presseveröffentlichungen in Sachen taz folgten die Reaktion Pariser Parlamentarier. „Einmischungen solcher Art betrachte ich als vollkommen unzulässig“, wetterte der rechtsliberale UCD-Abgeordnete Jean-Marie Daillet und versprach, noch in diesem Monat auf eine Aufklärung der Affäre von Seiten der französischen Regierung zu drängen. Währenddessen wandte sich der kommunistische Abgeordnete Theo Vial-Massat in einer schriftlichen Anfrage direkt an den französischen Außenminister Roland Dumas, um über die Frage Aufklärung zu verlangen, „ob die französischen Geheimdienst bei diesen beklagenswerten Vorgängen Verantwortung tragen“. Schließlich nahm sich auch die sozialistische Regierungspartei der Affäre an und erklärte, sich ausführlich mit den vorliegenden Anschuldigungen zu beschäftigen.

Tatsächlich kann der Pariser Regierung nicht daran liegen zumal wegen der für sie unbedeutenden taz-Affäre - einen Streit mit Diepgen über die Verantwortlichkeiten der verschiedenen Geheimdienste in Berlin vom Zaun zu brechen. Letztendlich würde eine solche Diskussion auch die bisher unbeschnittenen Vorrechte der Alliierten in Berlin gefährden. Eine Interessensgemeinschaft zwischen Berlin und Paris hat auch die Pariser Tageszeitung 'Liberation‘ entdeckt, die in ihrem Bericht über die taz-Abhöraffäre schlußfolgert: „Auf beiden Seiten, im Rathaus wie bei den Allierten, hat man sich ohne Zweifel sehr gut an die unglaublichen Alltagsregeln der Berliner Demokratie gewöhnt.“