: Schlupfloch für Arbeitslosenhilfe
■ „Schonvermögen“ von zweitausend Mark darf die Hilfe nicht mindern / Verwandtschaft aus dem Schneider
Ganz so gemein zu EmpfängerInnen von Arbeitslosenhilfe (Alhi), wie er vielleicht glauben machen wollte, ist der Vorsteher des Bundesministeriums für Arbeit (BMA), Norbert Blüm, gar nicht. Nachdem in der vergangenen Woche eine Pressemitteilung des Minister durch die Medienwelt geisterte, wonach Kinder halbwegs begüterter Eltern entgegen einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7.September 1988 - nun doch keinen Anspruch auf volle Alhi haben sollten (siehe taz vom 6.10.), stellt sich jetzt heraus, daß die BMA-Justitiare ein wichtiges Türchen im Gesetz weit offen stehen ließen.
Ob mit Absicht oder aus Versehen - das BMA hatte sich wenig um eine ebenso kurze wie relevante Passage des BSG-Urteils geschert, wonach Alhi-EmpfängerInnen in jedem Fall dann die volle Stütze zusteht, wenn sie über ein sogenanntes „Schonvermögen“ von über 2.000 Mark verfügen (Az: 11 RAr 25/86).
Zitat aus dem schriftlichen Urteil: “...sollte die unterschiedliche Höhe des Schonvermögens - nach Unterhaltsrecht 2.000 Mark, nach dem Recht der Alhi 8.000 Mark (Paragraph 6 Alhi-Verordnung) - nicht übersehen werden. Nach geltendem Recht ist der Arbeitslose nicht gehalten, das Schonvermögen einzusetzen. Er muß sich deshalb... auch nicht so behandeln lassen, als ob er das Schonvermögen eingesetzt hätte.“ Will heißen: Ein Guthaben des Arbeitslosen bis zu 8.000 Mark bei Eintritt in die Alhi darf bei Berechnung der Stütze nicht Alhi-mindernd berücksichtigt werden. Nur: Wer soviel Geld besitzt, hat keinen Anspruch auf Unterhaltszahlungen seitens seiner Sippschaft. Denn nach dem bürgerlichen Recht sind Verwandte ersten Grades gegenüber einem Bedürftigen (Alhi-Empfänger) nicht unterhaltspflichtig, solange dieser über ein Vermögen von mehr als 2.000 Mark verfügt - das Arbeitsamt muß darum die volle Stütze zahlen.
Da liegt es natürlich nahe, daß sich Arbeitslose vor Beginn der Alhi-Leistungen finanziell entsprechend versorgen, um ein Sparbuch mit wenigstens 2.0001 Mark Inhalt zu besitzen.
Ganz in Sinne des Gesetzes hat die Bundesanstalt in Nürnberg auf die Gesetzeslücke reagiert und Weisung an die Arbeitsämter erteilt, volle Alhi in jedem Fall dann auszuzahlen, wenn die AntragstellerInnen über ein Schonvermögen von mehr als 2.000 Mark, aber unter 8.000 Mark verfügen - es sei denn, dieses Guthaben wurde „mißbräuchlich angelegt“. Solch „mißbräuchliches“ Anhäufeln von Geld nachzuweisen, wird den Arbeitsämtern nach Angaben eines Beamten aus der Bundesanstalt allerdings „ziemlich schwer fallen“. Wie weiter aus Nürnberg verlautet, wollen sich die Beamten jetzt schlaue Fragen einfallen lassen, mittels derer den Alhi-AntragstellerInnen gegebenenfalls ein Geständnis der „mißbräuchlichen Vermögensanlage“ entlockt werden soll.
Karl Nolte
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