Trotz 85 Zeugen keine ausreichenden Beweise

■ Steuerberater Kind und sein Freund Hildebrand vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen / „Warmer Abriß“ nicht nachweisbar / Verfahren am Rande des Antes-Komplexes / Richter rügte Staatsanwalt, Polizei und Feuerwehr

Mit zwei Freisprüchen ging gestern das Brandstiftungsverfahren gegen den Steuerberater Wolfgang Kind und seinen Freund und Helfer, den Tischler Werner Hildebrand, zu Ende. Die 5.Große Stafkammer des Landgerichts Tiergarten sah weder den Vorwurf der Anstiftung zur schweren Brandstiftung bewiesen, die laut Anklage beide Beschuldigten begangen haben sollten, noch einen Versicherungsbetrug, den Kind angeblich begangen haben soll. Kind und Hildebrand wurden beschuldigt, den Brand eines Wohnhausdachstuhls in der Lietzenburger Straße geplant zu haben. Dabei ist der mutmaßliche Brandstifter ums Leben gekommen. Die Freisprüche beendeten ein Verfahren, das zunächst im Prozeß gegen Wolfgang Antes und Partner eröffnet, vom Antes-Komplex aber getrennt und erst im zweiten Anlauf zur Eröffnung zugelassen worden war. Zwar hatte die 5.Große Strafkammer Wolfgang Kind bereits einmal wegen Betruges zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, die der Steuerberater zur Zeit verbüßt. Aber die Brandstiftungssache, so rekapitulierte der Vorsitzende Richter Bräutigam, habe die damals zuständige 19.Strafkammer vor zwei Jahren nicht eröffnen wollen, weil sie keinen „hinreichenden Tatverdacht“ habe erkennen können. Diese Entscheidung, so sagte Bräutigam gestern, „war richtig und bleibt richtig“.

Um die beiden Beschuldigten freizusprechen, brauchte die 5.Große Strafkammer 85 Zeugen, die an insgesamt 31 Verhandlungstagen gehört worden waren. 17 dieser Verhandlungstage waren „überflüssig“, bilanzierte der Vorsitzende Richter gestern und spielte damit auf die Entwicklung an, die das Verfahren seit dem September letzten Jahres genommen hatte. Damals hatte nämlich Staatsanwalt Fätkinheuer alle Verfahrensbeteiligten verblüfft, indem er nach dem bereits verkündeten Abschluß der Beweisaufnahme in einem ersten Plädoyer nicht nur ein gutes Dutzend neuer Beweisanträge stellte, sondern auch Abschied vom zentralen Gedankengang seiner Anklageschrift nahm. Der lag die Idee zugrunde, Kind habe den „warmen Abriß“ eines Hauses in der Lietzenburger Straße angeregt, um seine maroden Finanzen zu sanieren. Doch nachdem die Hauptverhandlung bis zum September keine Beweise für den Verdacht gebracht hatte, ignorierte Fätkinheuer, was er in der Anklageschrift behauptet hatte, und forderte für Kind einen Freispruch wegen Mangels an Beweisen, für die vermeintliche rechte Hand Hildebrand aber zehn Jahre.

Der geistige Salto im September, durch den sich nicht nur der Vorsitzende genasführt fühlte, stellte sich im nachhinein als logischer Irrtum heraus. Der neue Zeuge, den Fätkinheuer in seinem Zwischenplädoyer als Kronzeugen angekündigt hatte, erwies sich als völlig unglaubwürdig, so daß der Staatsanwalt nur auf einen gewissen Reiner Brühl als Zeugen zurückgreifen konnte, dessen Glaubwürdigkeit Fätkinheuer durch eine eigene Aussage zu bekräftigen versuchte.

Doch Brühl, einen alten Bekannten Hildebrands aus der Zeit im Zuchthaus Brandenburg, hielt die Kammer für unglaubwürdig, für „dubios“, wie Richter Bräutigam gestern sagte. Er hatte nämlich 1985 mit Hildebrand wegen eines Waffendeliktes auf der Anklagebank gesessen und damals in einem intensiven Gespräch mit Staatsanwalt Fätkinheuer gesagt, sein Bekannter Hildebrand habe ihm gegenüber die Beteiligung an der Brandstiftung zugegeben. Sein Rededrang ermöglichte dem Staatsanwalt, den Zusammenhang mit Wolfgang Kind und dem vermeintlichen warmen Abriß herzustellen. Und Zeuge Brühl profitierte offenbar ebenfalls von dem guten Eindruck, den er 1985 bei Fätkinheuer hinterlassen hatte: Wie Hildebrand wegen Beschaffung einer MP, die bei einem Raubüberfall Verwendung fand, zu vier Jahren Knast verurteilt, kam er, anders als sein Geschäftspartner, schon nach Verbüßung der halben Strafe wieder frei.

Auf Zeugen dieses Kalibers wollte die 5.Strafkammer eine Verurteilung Hildebrands nicht stützen, nachdem die Staatsanwaltschaft so offenkundig in „blindem“ Verfolgungseifer“ jeden Zeugen zu benutzen geneigt war, der ihren Anfangsverdacht bestätigte. Gegenüber einer halsbrecherisch argumentierenden Staatsanwaltschaft, die auf „Gerüchtzeugen“ angewiesen war, überzeugte die Richter nicht zuletzt, was schon der Polizei hätte auffallen müssen: Kind hatte mit der tödlichen Umbaumaßnahme Verlust gemacht.

Verlust macht jetzt die „Landeskasse“, auf deren Kosten der Prozeß geht. Die muß herhalten, weil die Tätigkeit von Feuerwehr und Polizei, wie Richter Bräutigam kritisierte, alles andere als eine „Sternstunde“ gewesen sei.

wvb