Nur noch 69.000 Tiefflugstunden

Tiefflugminister Scholzens Konzept: Alles bleibt beim alten / Auch Tiefstflüge unter 150 Meter werden nicht eingestellt / Eklat im Bonner Verteidigungsausschuß: Abgeordnete der Opposition zog aus / Kein einziger neuer Vorschlag / Scholz: Tiefflüge „unabdingbar notwendig“  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Um ganze eineinhalb Prozent will Absturzminister Scholz die Zahl der Tiefflüge in der Republik abbauen. Dafür werden dann aber die Tiefstflüge bis auf 75 Meter - na was ? nicht eingestellt. Das ist das „Konzept“, das der Chef der Hardthöhe in Sachen Tiefflug-Terror gestern in Bonn den Abgeordneten des Verteidigungsausschusses vorlegte.

Zum Eklat kam es, als die Abgeordneten von SPD und Grünen geschlossen auszogen, weil bis zu Beginn des Tagesordnungspunktes das Scholz-Papier nicht einmal den Abgeordneten zugegangen war. Diese Mißachtung des Parlaments, so der Obmann der SPD-Fraktion im Ausschuß, Horn, sei ihm in seiner „20jährigen Zugehörigkeit im Verteidigungsausschuß noch nicht vorgekommen“. Minister Scholz realisiere nicht, daß der Ausschuß auch ein „Entscheidungsgremium“ sei.

In dem „Bündel von Maßnahmen“, das Scholz versprochen hatte, ist der einzig wirksame Bestandteil eine Minderung von 1.000 Tiefflugstunden durch die Einstellung eines Nato -Programms für Verbandsflugzeugführer. Alle anderen Vorschläge sind zahlenmäßig nicht qualifizierbar und waren allesamt bereits in der Diskussion (neben der bereits vereinbarten Verlagerung von 1.300 Stunden bis 1991): „Mittelfristig“ soll es eine weitere Verlagerung nach Kanada um etwa 2.000 Flugstunden geben; Nutzungserweiterungen in Sardinien und Portugal werden „angestrebt“. Dazu kommen Simulatoren, die noch entwickelt werden müssen. Als langfriste Maßnahme wird der Aufbau eines Ausbildungszentrums in der Türkei oder Kanada bis 1995 genannt - auch dies war bereits bekannt.

Tiefflüge in der Bundesrepublik bleiben für Scholz auch weiterhin „unabdingbar“ notwendig. Seine Vorschläge stellten einen „Handlungsrahmen“ dar, mit dem zu einer „gerechteren Verteilung“ beigetragen werden soll. Der Lärmterror soll allerdings gleichmäßiger ausgebreitet werden. Dazu darf die Einrichtung eines Tiefflugkoordinationszentrums beitragen. Die Militärs halten offensichtlich auch daran fest, Tiefflüge bis 75 Meter Tiefe künftig statt in den sieben dafür... Fortsetzung Seite 2

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ausgewiesenen Tiefstfluggebieten über die gesamte Bundesrepublik zu verteilen. Dort war bislang eine Mindestflughöhe von 150 Metern einzuhalten. Scholz teilte mit, darüber müßten sich die Ministerpräsidenten der Länder am 26.Januar unterhalten.

Wie sich die Alliierten - auf deren Konto zwei Drittel aller offiziell geschätzten 70.000 Tiefflugstunden gehen beteiligen, bleibt offen. Scholz: Man strebe eine „einvernehmliche Lösung an“. Er schätze die Nato-Partner als „absolut kooperativ“ ein. Die Opposition war empört. „Das ist nicht einmal Kosmetik“, machte sich der Abgeordnete Kolbow (SPD) Luft. Er sprach von einem „Beschwichtigungskonzept“. „Tiefflug kann nur zum Angriff dienen und muß deswegen sofort eingestellt werden“, forderte Angelika Beer von den Grünen: „Eine Bedrohung für die Bevölkerung geht gegenwärtig nicht von der Sowjetunion, sondern nur von der Bundeswehr aus.“ Nur die FDP tat sich wieder mal schwer. Sie trägt das Konzept mit, sagte ihr Abgeordneter Ronneburger, auch wenn „es nur ein erster Schritt ist“.