piwik no script img

Vom Nachttisch geräumt: NACHLASS

Eine imponierende Fleißarbeit. Joachim Hahn hat nach Erinnerungen und Zeugnissen jüdischer Geschichte in Baden Württemberg gesucht. Mehr als sechshundert Seiten dick ist das Buch geworden. Städte und Dörfer nach Landkreisen, darin alphabetisch, geordnet. Von Aach bis Zwingenburg. Das Register erschließt den Band. Nehmen wir Balingen. Im Stadtteil Erzingen „bestand von März 1944 bis April 1945 ein Außenkommando des Konzentrationslagers Natzweiler/Elsaß. Das Lager war mit durchschnittlich 200 Häftlingen belegt, die beim Aufbau der Ölschieferindustrie eingesetzt waren.“ Davon hatte man mir nie etwas erzählt als ich in den 50er Jahren meine Ferien in der kleinen Stadt verbrachte. Ich trieb mich auch bei den Ölschiefern herum, suchte nach möglichst schönen Ammoniten. Überall Terror und Tote, überall Blut, nirgends eine Spur. Bücher wie dieses öffnen einem da die Augen. Bibliographische Hinweise helfen weiter. Beim Blättern fiel mir auf, daß im Kapitel über die Universität Freiburg vom Philosophen Husserl bis zum Kunsthistoriker Friedländer eine Reihe jüdischer Gelehrter und ihre Lebensgeschichten erwähnt werden, während die 1477 gegründete Tübinger Eberhard Karls Universität überhaupt nicht vorkommt. Ein Rätsel, zumal der Autor in Tübingen zum Dr. theol. promoviert wurde und am Tübinger Stift unterrichtete und über dessen große Geschichte ein Buch geschrieben hat. Solche Rätsel verunsichern mein Urteil, aber natürlich ist das Buch ein unentbehrliches Nachschlagewerk.

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, 607 Seiten, 568s/w Abbildungen, 8 Farbfotos, 78 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen