: Ärzte gegen Kooperation mit Diktaturen
■ Medizinerkongreß gegen ärztliche Beteiligung an staatlicher Unterdrückung / Kongreßteilnehmer aus aller Welt fordern Beschwerdeinstanz bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Paris (afp) - Ärzte aus der ganzen Welt haben am Sonntag in Paris eine Beschwerdeinstanz bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert, bei der diejenigen ihrer Kollegen angezeigt werden können, die sich an staatlicher Repression beteiligen. Die Ärzte nahmen an einem Kongreß gegen ärztliche Beteiligung an staatlicher Unterdrückung teil, der von der medizinischen Sektion der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international in Paris veranstaltet wurde und am Sonntag zu Ende ging. Die geforderte Beschwerdeinstanz soll sowohl ärztliche Mitwirkung an staatlicher Repression erfassen als auch diejenigen Ärzte unterstützen, die wegen ihres Engagements dagegen selbst verfolgt werden.
Vor allem die Ärzte aus den Entwicklungsländern hatten auf dem Kongreß über die Arbeitsbedingungen in ihren Heimatstaaten geklagt. Der türkische Ärzteverband habe wegen der ablehnenden Haltung der Regierung immer noch keine Richtlinien für die Pflichten der Ärzte angesichts staatlicher Folter, sagte der türkische Arzt Umit Kartoglu. Der chilenische Mediziner Francisco Rivas Lorrain beklagte, daß in vielen Ländern Ärzte, die wegen Folterungen aus den nationalen Ärzteverbänden ausgeschlossen worden sind, weiterhin praktizieren dürften. Die moslemischen Ärzte forderte der pakistanische Menschenrechtler Mahbood Mehdi auf, sich nicht an der Durchführung islamischer Strafen wie der Amputation einer Hand wegen Diebstahls zu beteiligen. Bei einer solchen Weigerung könnten sie sich auf den islamischen Kodex für ärztliche Ethik von 1981 berufen.
Alexander Podrabinek, der in der Sowjetunion gegen den politischen Mißbrauch der Psychiatrie kämpft, warf in einem Schreiben an die Konferenz den sowjetischen Behörden erneut vor, sie wendeten die Psychiatrie gegen Dissidenten an. Andere Teilnehmer der Konferenz äußerten sich besorgt über eine sich abzeichnende Wiedereingliederung des sowjetischen Psychiaterverbandes in die internationale Vereinigung für Psychiater, ohne die Vergangenheit der sowjetischen Psychiatrie aufzuarbeiten.
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