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Börsenskandal avanciert zur Staatsaffäre

Fran?ois Mitterrand steht im Zentrum des Skandals / Der französische Staatschef soll Insiderinformationen über Aufklärung einer US-amerikanischen Firma durch französische Staatsunternehmen an seinen Freund und Aktieneinkäufer Pelat weitergegeben haben  ■  Aus Paris Georg Blume

Wenn der Präsident in die Schußlinie gerät, spielen die französischen Medien verrückt. Kann es denn wahr sein, daß der beste Freund des Staatschefs in eine unstatthafte oder gar unerlaubte Börsenschieberei verwickelt wäre? In den Ohren der Pariser Meinungsmacher klingt die Geschichte unglaublich. Seit dem Wochenende sprechen Radio und Fernsehen von einer „Staatsaffäre“. „Die Sache sei schwieriger zu handhaben als der Sturm, den seinerzeit die Greenpeace-Affäre ausgelöst habe“, urteilt das rechts -liberale Nachrichtenmagazin 'Le Point‘ in seiner Montagsausgabe.

Im Zentrum des Skandals: Die seit Wochen schwelenden Auseinandersetzungen um den Aufkauf der US-amerikanischen Verpackungsfirma American Can durch das französische Staatsunternehmen Pechiney im vergangenen Herbst. Wie nach und nach bekannt wurde, waren französische, Schweizer und luxemburgische Banken und Finanz-Unternehmen dem amerikanisch-französischem Börsentransfer zuvorgekommen und hatten - nach schnellen Aktienkäufen beim American-Can -Eigner Triangle - Millionengewinne durch den Wiederverkauf der Aktien erzielen können. Daran wäre nichts auszusetzen gewesen, wenn nicht nach Börsengesetz unerlaubte Insider -Informationen die Käufer zu ihrem lukrativen Aktienhandel veranlaßt hätten. Politische Brisanz bekam die Geschichte, als sich herausstellte, daß den französischen Sozialisten nahestehende Geschäftsmänner vorrangig am Aktiendeal beteiligt waren. Zur „Staatsaffäre“ aber avancierte der Börsenskandal erst am Samstag mit den Veröffentlichungen der Pariser Tageszeitung 'Le Monde‘, denen zufolge Roger-Patrice Pelat, erfolgreicher Unternehmer und Busenfreund Mitterrands in einer Person, von den umstrittenen Triangle -Aktieneinkäufen weit mehr getätigt hätte, als er bereits vor der ermittelnden Börsenkontrollkommission zugeben hat, nämlich 50.000 statt nur 10.000.

Je länger politische Affären andauern, desto unvorhersehbarer ist ihre Tiefenwirkung. 1985 wartete Mitterrand bis drei Monate nach dem Attentat des französischen Geheimdienstes auf das Greenpeace-Schiff „Rainbow-Warrior“, erst dann entließ er seinen Freund und Verteidigungsminister Hernu aus dem Amt. In der Zwischenzeit aber hatte das Ansehen der in Paris regierenden Sozialisten einen nicht wiedergutzumachenden Schaden erlitten.

Die Pechiney-Krise nimmt heute scheinbar einen ähnlichen Lauf. Seit Roger-Patrice Pelat, der Freund des Staatschef, die Hauptrolle im Skandaltheater eingenommen hat, liegt eine Frage nicht fern: Hat Pelat von dem Pechiney-Coup durch seinen Freund Mitterrand erfahren? Eine Frage ohne Antwort, die den Skandal nährt. Denn Fran?ois Mitterrand versteckt sich bisher hinter den Ermittlungen der Börsenkontrollkommission. Die allein würden die Wahrheit ans Tageslicht bringen. In Sachen Greenpeace gab man damals einen Sonderbericht in Auftrag. Doch so leicht kann sich der Staatschef heute nicht mehr aus der Affäre ziehen. Je länger er wartet, desto schwieriger wird seine Wahl zwischen einem alten, dem angeblich besten Freund und seinem Image als unbestechlicher Staatsmann.

„Wenn eine Politik erfolgreich ist, greift man lieber die Personen an - inklusive die meine“, so hatte Mitterrand im voraus alle Vorwürfe abgewehrt. Die Argumentation steht jedoch auf schwachen Füßen, denn immer schwieriger wird es, den Börsenskandal von der sozialistischen Politik zu trennen. „Wer das Loblied der Börse in zu hohen Tönen singt, ermutigt die Spekulation“, wußte gestern selbst die Mitterrand-ergebene 'Le Monde‘ zu schreiben. Nachdem die Sozialisten die Börsengesetze heiliggesprochen haben, fällt es ihnen schwer, gegen die Insider-Affäre politisch anzugehen. In diese Kerbe schlagen die Medien, vor allem die der Rechten. Tenor: Die Sozialisten, die sonst stets die Moral gepachtet zu haben glaubten, treiben es nun auch mit Göttin Mammon.

Am Montag schließlich dementierte das Präsidialamt einen Artikel von 'Le Monde‘, wonach Mitterrand einen Bericht über die Pechinen-Affäre erhaltenben haben soll. In dem Dementi hieß es, die Untersuchungen über die Pechiney-Affäre seien und blieben einstweilen ausschließlich Sache der Börsenaufsicht COB. 'Le Monde‘ zufolge stammt der fragliche Bericht nicht von der Börsenkommission, sondern „von den mit der Information des Präsidenten beauftragten Personen“. Es handele sich um eine Synthese der amerikanischen und französischen Ermittlungen.

Die Stimmung im Pariser Regierunglager erreicht derzeit den Gefrierpunkt. „Mitterrand wird nun gezwungen sein, scharf zu kontern“, heißt es bei den Sozialisten. „Fran?ois Mitterrand hat oft gesagt, daß er eine Aversion gegen Geld hat“, bemerkte seinerseits der Sprecher der gaullistischen Opposition, Alain Juppe, und fügte hinzu: „Immerhin ist er von Leuten umgeben, die dem Geld offenbar sehr zugetan sind.“ Den Sozialisten, die leicht zur Vergötterung ihres Präsidenten neigen, sei das gesagt. Der Normalfranzose aber macht sich da wohl kaum Illusionen.

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