piwik no script img

Große Koalition gegen Tornado-Deal

Parlamentsmehrheit sprach sich gegen das Rüstungsgeschäft mit Jordanien aus / Kanzleramt: „Keine Bedenken“ / Hamm-Brücher: „Wir müssen die Kröten schlucken, und das hat Grenzen“ / Finanzierung durch Bayerische Landesbank schon im Oktober eingefädelt?  ■  Von Wiedemann und Koch

Bonn/München (taz) - Für die von der Bundesregierung gebilligte Finanzierung des Tornado-Geschäfts durch die Bayerische Landesbank gibt es im Bundestag keine Mehrheit. Das wurde gestern in der Debatte des Parlaments über das umstrittene Rüstungsgeschäft mit Jordanien deutlich. Neben SPD und Grünen lehnte auch die FDP-Fraktion „die Art der Finanzierung“ des Rüstungsexports nach Jordanien ab. Der parlamentarische Geschäftsführer der Liberalen, Klaus Beckmann: „Die FDP beanstandet, daß die Landesbank eines Bundeslandes, zu deren Aufgaben sicherlich zuallerletzt die Exportfinanzierung für Rüstungsgüter gehören kann, jetzt eine führende Rolle in diesem Geschäft übernimmt.“

Nachdem ein Darlehen der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau unterbunden wurde, „mußte jeder Verantwortliche wissen“, so Beckmann, „daß eine Finanzierung des Tornado -Exports durch Banken in Staatsbesitz nicht gewollt war.“

Während Kanzleramtsminister Schäuble zuvor die Billigung des Bayern-Kredits noch einmal verteidigt hatte, schloß sich Außenminister Genscher in verklausulierter Form den Bedenken seiner Fraktion an. Allerdings räumte er ein, daß er selbst im Bundessicherheitsrat auf die Einleitung eines Konsultationsverfahren mit den Briten verzichtet hatte. Durch die Ablehnung einer Hermes-Bürgschaft sei in diesem Gremium schon genug „Distanz“ signalisiert worden.

In der Union wich nur der Abgeordnete Lammert von der Fraktionslinie ab und äußerte Bedenken. Wie Lammert forderte auch die FDP-Abgeordnete Hamm-Brücher mehr Einflußmöglichkeiten der Parlamentarier auf Entscheidungen der Regierung. Hamm-Brücher: „Wir müssen die Kröten schlucken, und das hat Grenzen.“ In allen Fraktionen zeichnete sich das Einverständnis ab, mit einer neuen Grundsatzdebatte die gesetzlichen Bestimmungen und internationalen Verträge über Rüstungsexporte zum Thema zu machen. Für die FDP forderte Beckmann die Verankerung von „Mindeststandards“ wie das Verbot der Lieferung in Spannungsgebiete bei Rüstungskooperationen. SPD-Chef Vogel plädierte für ein neues parlamentarisches Gremium, in dem die Regierung die Abgeordneten über Rüstungsgeschäfte informieren soll. Angesichts von so vielen Gemeinsamkeiten unter den Parlamentariern wurde ein Antrag der Grünen, sofort über eine Ablehnung des Tornado-Geschäfts abzustimmen, mit Hilfe der SPD abgebügelt. Norbert Gansel: „Wir wollen keine billigen Abstimmungserfolge.“ Das Begehren der SPD, vor einem späteren Bundestagsbeschluß dürften keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, hatte Minister Fortsetzung auf Seite 2

Schäuble allerdings zuvor klar abgewiesen.

Debatte auch in München

In der Sondersitzung des Bayerischen Landtages zum umstrittenen Waffenexport von acht Tornados nach Jordanien kam es gestern zu erregten Debatten. Der Export soll unter Federführung der Bayerischen Landesbank finanziert werden. Die Opposition hatte dieses Sonderplenum erzwungen, um über die Rolle der Bayerischen Staatsregierung bei diesem Waffengeschäft informiert zu werden und diesen Deal doch noch zu verhindern. Die bayerische Landesbank will dafür einen

370-Mio.-Mark-Kredit zur Verfügung stellen. Im Kreditausschuß, der darüber entschied, sitzen fünf Minister der Bayerischen Staatsregierung, darunter Finanzminister Tandler und Innenminister Stoiber.

Ministerpräsident Max Streibl verteidigte die Notwendigkeit dieses Waffenhandels vehement. Die Unterstützung des Deals sei erforderlich, um das Nato-Bündnis nicht zu gefährden. Der „wahre Skandal“ sei die Kampagne von SPD und Grünen gegen einen ganzen Industriezweig und die dort arbeitenden Menschen.

Mit den Worten: „Ich habe den Verkauf nicht eingefädelt“, versuchte Streibl sich reinzuwaschen. Gleichzeitig gab er jedoch zu, daß er bereits bei den Beerdigungsfeierlichkeiten von Strauß Anfang Oktober mit dem britischen Botschafter über das Geschäft gesprochen habe. Im Einverständnis mit Kohl habe er seine Mög

lichkeiten eingesetzt, „um doch noch eine Finanzierung auf die Beine zu stellen“. Er habe daraufhin mit der Bayerischen Landesbank gesprochen. Diese habe unter der Bedingung zugestimmt, daß die Bundesregierung das Geschäft billige. Das habe er auch Kanzler Kohl mitgeteilt.

SPD-Oppositionsführer Hiersemann bezeichnete das Vorgehen der bayerischen Landesregierung als „Beispiel verlogener Pontius-Pilatus-Politik nämlich andere vorzuschicken und selbst die Hände in Unschuld zu waschen“. Kohl habe sich anscheinend, um von Frau Thatcher nicht als Waschlappen bezeichnet zu werden, an seine Freunde in Bayern erinnert. Obwohl die CSU-Mitglieder des Kreditausschusses der Bayerischen Landesbank bereits am fünften Dezember dem Deal zugestimmt hatten, hatte die CSU noch

am 14.Dezember im Landtagsplenum beteuert, daß eine Waffenlieferung in Spannungsgebiete, insbesondere Jordanien, zu verurteilen sei. Finanzminister Tandler wollte sich zu dem Waffengeschäft überhaupt nicht äußern. Nach der Debatte wurden die Dringlichkeitsanträge von SPD und Grünen die Finanzierung des Waffenhandels zu stornieren von der CSU -Mehrheit abgelehnt.

Korea-Tornados umstritten

Über eine mögliche Lieferung von 40 Tornados an Süd-Korea gibt es in der Bundesregierung Meinungsverschiedenheiten. Bei einer ersten Vorabsprache gab es zwischen den beteiligten Ministerien keine Einigung, ob dafür eine Exportgenehmigung erteilt wird. Die Frage soll jetzt auf der nächsten Sitzung des Bundessicherheitsrats debattiert werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen