: U N V E R B R E M T Der Achtundsechziger
Der Achtundsechziger ist, entgegen weitverbreitenden Behauptungen, eine wenig verbreitete und zudem fast ausgestorbene Spezies. Ernsthaft zu prüfen ist, ob die überlebenden ECHTEN Exemplare unter musealen Schutz gestellt werden sollten, damit das Unwesen der Verwechslungen mit den frei herumlaufenden Mutations-achtundsechzigern aufhört.
Echte Achtundsechziger sind schon deshalb so selten, weil die ganzen weiblichen Exemlare, wie alle Angehörigen ihres Geschlechts unbeständig und formwandlerisch, als erste sich einfach in Hausfrauen, Rechtsanwältinnen und anderes verwandelten und als Art flachfielen. Bei den männlichen Exemplaren begannen auch die Anarchoiden und Organisationsfeinde, das eigentlich ECHTE 68-er Ferment, sich aufzulösen und übrig blieb nur, was den zum Überdauern notwendigen sittlichen Halt im gewerkschaftlich -stamokapistisch-Konkret-Lager fand. Im Bauch der großen Mutter der Organisation entstand nun der Mutationsachtundsechziger. Er trägt die Gesellschaftkritik stets und ständig als ernsthafte Bürde und vor allem allein zusammen mit dem Häuflein der verkannten Aufrechten im Munde herum. Er hat als einziger noch einen zureichenden Begriff von der stets und ständig zunehmenden gesellschaftlichen Repression, deren allererstes Opfer in jeder Lebenslage stetsundständig er selber ist. Schützt die echten Achtundsechziger, verwechselt sie nicht mit ihren Mutationen!
Uta Stolle
P.S.„Die gesellschaftskritische Literatur ist bei den 68ern steckengeblieben. Ich bin gessellschaftskritisch. Ich lese das und finds langweilig,“ sagte ein Zuhörer der Podiumsdiskussion „Literatur unter Druck“.
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