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DKP: Die Revolution findet im Saale statt

■ Breite Bremer Mehrheit für Erneuerungsfraktion in der ältesten kommunistischen Partei der BRD / Bremer Landesparteitag kippte Bundesvorstandsbeschluß: Europawahl findet ohne Bremer DKP statt / Neuwahl aller Parteitagsdelegierten gefordert

Einer z.B. tritt ans Mikrofon und erzählt, daß er einen DDR -Flüchtling bei sich aufgenommen hat. Er bekommt heftigen Beifall. Ist das erwähnenswert? Vermutlich könnte man zur Tagesordnung übergehen, wenn die Szene auf irgendeinem Parteitag irgendeiner Partei der Bundesrepublik spielen würde. Tut sie aber nicht. Das Mikrofon stand am Sonntag in der Stadthalle. Dahinter stand ein Kommunist und davor saßen 500 weitere real existierende Kommunisten. Vor fünf Jahren hätte der Redner angesichts seiner Gastfreundschaft für „Repu

blikflüchtlinge“ wahrscheinlich eher ein Parteiordnungsverfahren als kräftigen Applaus bekommen. Gestern erklärte er einer verdutzten 2. Parteivorsitzenden und einer begeisterten Basis sein neues Credo: „Ich lasse mir nicht mehr von den Parteioberen vorschreiben, was human ist und was inhuman. Ich entscheide das in Zukunft selbst.“

Zwei Dinge braucht die Revolution, wissen gute KommunistInnen seit rund 130 Jahren: „Die oben dürfen nicht mehr so können, wie sie wollen, und die unten dürfen nicht mehr wollen,

wie sie sollen.“ Wenn diese Definition noch stimmt, sind die Zeiten reif für die Revolution - nein, nicht in der Bundesrepublik, aber in ihrer revolutionären Partei. Nachdem Glasnost und Perestroika des Genossen Gorbatschow CDU, SPD, FDP und Grüne schon in heillos fruchtbarste Verwirrung gestürzt haben, haben die neuen Launen der etwas größeren sozialistischen Bruderpartei inzwischen auch die bundesdeutschen KommunistInnen in produktive Unruhe und ihre Büchertische in ungewohnte Pluralität versetzt. Von „Stalin bewälti

gen“ bis zum Krimi-Klassiker, von „Es gibts keine Alternative zur Perestroika“ bis zu „Beim nächsten Mann wird alles anders“ reicht die Palette des derzeit angesagten DKP -Lesestoffes.

Um gleichwohl an Prinzipienfestigkeit zu retten, was zu retten war, hatte der Bundesvorstand eigens die stellvertretende Bundesvorsitzende Ellen Weber nach Bremen delegiert. Vergebens. Nach mehrstündiger Debatte lehnte der Parteitag mit überwältigender Mehrheit ab, was ihm die Zentrale demokratisch-zentralistisch schon längst verordnet hatte: Eine Kandidatur der DKP zu den Europawahlen wird ohne den Bezirk Bremen stattfinden. Obendrein mußte sich der Parteivorstand auch noch sagen lassen, sein Alleingang in Sachen Europa-Kandidatur stamme aus der „Abteilung Größenwahn“, und sich von rund 90 Prozent der Anwesenden schriftlich geben lassen, sein „Vorgehen zementiere eine gescheiterte und überholte Wahlpolitik und widerspreche den Forderungen nach Demokratisierung des Parteilebens.“

Mut zu den aufmüpfigen Tönen der Bremer Basis hatten zuvor deren beide Vorsitzende in ausführlichen Grundsatzreden gemacht und gleich einen ganzen Kuhstall heiliger DKP-Kühe durcheinandergescheucht. Da hatten für Katja Barloschky plötzlich die „Krise der Zivilisation“ und das „Überleben der Menschheit“ Vorrang vor den „Klasseninteressen“. Da wurde ketzerisch die „Überprüfung des eigenen Ver

hältnisses zum real existierenden Sozialismus“ gefordert, und da sollten die bisher gültigen „Fortschrittskriterien der Entfaltung der Produktivkräfte“ einer kritischen Revison unterzogen werden. Und: Da wurden personelle Konsequenzen in der eigenen Partei gefordert. „Ich will endlich Leute an der Spitze der Partei sehen, die die Beschlüsse von morgen umsetzen können. Wir haben zur Zeit eine Parteiführung, die noch nicht einmal die Beschlüsse von heute kapiert,“ machte die „Basis“ ihrem Unmut Luft über den Durchmarsch der

DKP-Traditionalisten bei den Partei-Vorstandswahlen vor vier Wochen.

Spätestens 1990 soll alles besser, demokratischer und kommunistischer werden: Für einen bevorstehenden Sonderparteitag zur Neufassung von Programm und Statut der Partei forderten die Bremer GenossInnen: Alle Delegierten sollen neugewählt werden, damit die Abstimmungsergebnisse auch so ausfallen, wie die Parteibasis es will. Was sie wollen wird: Die Bremer DKP läßt es schon ahnen.

Klaus Schloesser

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