: LOBBY DER PARADIESVÖGEL
■ Diskussion am Fachbereich 6 der HdK
Seit über einem Jahr ist am Fachbereich 6 der Hochschule der Künste eine Professur zu besetzen. Vergebens haben die Studentinnen bisher gefordert, daß diese Stelle mit einer Professorin für Malerei - sie wäre die erste an diesem Fachbereich, an dem dreimal mehr Frauen als Männer studieren - besetzt wird. Die explizite Ausschreibung der Professur für eine Frau wurde mit der Begründung verweigert, es gäbe nicht genügend qualifizierte Künstlerinnen.
Aus diesem Anlaß hatten jetzt am Ende des Streiksemesters Studentinnen nochmals eine Podiumsdiskussion initiiert, um das Problem der mangelnden öffentlichen Präsenz von Künstlerinnen anzugehen. Für Spannung, die die Diskussion nicht zum bloßen Ballwechsel auf dem Podium verkommen ließ, sorgten vor allem einige Malerinnen und Künstlerinnen im Publikum. Sie faßten den Wunsch der Studentinnen nach einer Professorin als Vorbild und Stifterin einer weiblichen Künstler-Identität nicht als unantastbaren Konsens auf und wollten eine Kritik an Inhalten und Lehrstrukturen der Hochschule provozieren. Ein „Meisterschüler„-Verhältnis mit seiner der Vater-Sohn-Beziehung analogen Spannung nachzuahmen und in Mutter-Tochter-Liebe umzumünzen, könne nicht der emanzipatorische Weg aus den autoritäts-fixierten Hochschul-Strukturen sein. Veränderung des Bewußtseins über die Rolle der Künstlerin sei nicht allein über Besetzungspolitik zu erreichen, sondern verlange die Diskussion inhaltlicher Differenzen der Kunst von Männern und Frauen. Zum Beispiel sollte endlich ein Klassiker der Ausbildung, wie das Aktzeichnen, das noch immer auf den männlichen Blick und die distanzierende, beherrschende Objektbeziehung konditioniert, aufgemischt werden. Absurd sei, zu fragen, „wie werde ich Professorin?“ angesichts einer Ausbildungs-Institution, der sie keine Förderung von Kreativität, wohl aber die Förderung einer um Abgrenzung bemühten Elite zutraue. Was so an der Hochschule beginne, setze der Kunstmarkt fort: dem könnten Frauen sich nur durch eine autonome, von Hochschule und Markt unabhängigen Kunstszene entziehen.
Gegen diese Abschreibung der Hochschule und der implizierten Aufkündigung des Konsens‘ über die Orte der Kunst protestierte die Galeristin Caroline Müller (Podiumsgast), die zum Beispiel in autonomen Frauenkunstschulen einen Rückschritt ins 19. Jahrhundert sah. Dagegen wandte sich auch Elke Lixfeldt (Podiumsgast), die von ihren Erfahrungen der Isolation als erfolgreiche Künstlerin, die wie ein einsamer Paradiesvogel an zugewiesenen Orten schillern darf, ausging. Beide trafen sich, unterstützt von den meisten Studentinnen und den geladenen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen von Hochschule und Museen in der Forderung nach einer Frauenlobby, die an der Hochschule, in Galerien, in Museen und in den Medien für die Präsenz der Künstlerinnen eintreten. Damit appellierten sie besonders an den Rattenschwanz von Kunstvermittlern, die auf die kreativen Bröckchen der Künstlerinnen lauern. In dieser Strategie, der erst in diesem Jahrhundert möglichen und entstandenen Quantität von Künstlerinnen zu ihrer Sichtbarkeit zu verhelfen, nimmt sich die Forderung nach einer Professorin für Malerei zu bescheiden aus. Quotenregelung, da nur der Rechtsweg zu wirken scheint, und die Besetzung aller frei werdenden Stellen mit Frauen müßte an der HdK durchgesetzt werden. Künstlerinnen werden aufgefordert, sich zu bewerben.
Den Zorn der Studentinnen zog Dr. Johann Karl Schmidt, Direktor der Galerie der Stadt Stuttgart, auf sich, der sich mit Talent für Fettnäpfchen als Rufer in der Wüste inszenierte und den Studenten unbedingt die Wahrheit verkünden wollte. Er brachte mit seinen Enthüllungen über einen Kunstmarkt, der in der heutigen Gesellschaft den öffentlichen Konsens über das, was Kunst sei, ersetze und auf dem es im Grunde um Macht und Geld ging, seine empörten Gegnerinnen dazu, einzuklagen, eben an dieser Macht und an diesem Geld stehe den Frauen ihr Anteil zu.
Probleme warf immer wieder der Begriff „Qualität“ auf. Die Qualität der Kunst von Frauen steht immer dann zur Diskussion, wenn es um ihre Zurückweisung geht. Sie werden dabei an einem kunsttheoretisch anachronistischen Qualitätsbegriff gemessen; denn die Konventionen über Qualität anzugreifen und umzukehren ist gerade eines der immer wiederkehrenden Merkmale der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Katrin Bettina Müller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen