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Altparteien-Pakt

■ Der Renten-Kompromiß von Bonn

Bei der Sanierung der Rentenfinanzen hätte die SPD beweisen können, was progressive Gesellschaftspolitik heute sein könnte. Sie hat diese Chance dem Kompromiß mit der Koalition geopfert - ob sie sie überhaupt gesehen hat, muß bezweifelt werden. Denn wie sonst wäre das umstandslose Beharren auf dem traditionellen Prinzip der Beitragsabhängigkeit der Rente zu verstehen, das die möglichst lückenlose und gutdotierte Erwerbsarbeit zur Vorbedingung für eine menschenwürdige Altersversorgung macht. Alle Diskussionen der letzten Jahre über den Eigenwert gesellschaftlicher Tätigkeiten jenseits der Erwerbsarbeit sind - Lafontaine zum Trotz - an den Sozialpolitikern der SPD vorbeigegangen.

Also werden auch in Zukunft alle jene sich auf Altersarmut einstellen müssen, die keine lückenlose und gutdotierte „Erwerbsbiographie“ ausweisen, vor allem also die Frauen. Es ist nicht allein mit einigen Korrekturen im Detail getan etwa den längeren Kindererziehungszeiten -, solange die Kinderpause für viele Frauen unfreiwillig zum endgültigen Ausstieg aus dem Berufsleben wird. Und in Zeiten, in denen jede dritte Ehe geschieden wird, in denen alleinerziehende Mütter gesellschaftliche Normalität sind, bedeutet die Verweigerung individueller Absicherung nichts weiter als den Versuch, familiäre Abhängigkeit von Frauen zu zementieren.

Schließlich muß man sich noch über den Zynismus wundern, mit der die Heraufsetzung der Altersgrenze beschlossen wird

-in einer Zeit, in der immer weniger Erwerbstätige unbeschadet die Altergrenze erreichen. Weil sich der Trend zur Leistungsverdichtung im Erwerbsleben nicht umkehren wird, werden die Menschen auch nach der Jahrtausendwende vorzeitig in Rente gehen - nur eben mit reduzierten Bezügen. Die Anhebung der Altersgrenze bedeutet faktisch eine zusätzliche Absenkung des Rentenniveaus.

Martin Kempe

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