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HIMMELNDE BLICKE

■ „Die Jungfrauenmaschine“ von Monika Treut im Sputnik

Mit dem Ruderboot und dem Fahrrad: eine Frau unterwegs zu sich selbst und der Entdeckung des eigenen Narzismus. Doch der Weg der Journalistin Dorothee Müller hat nichts vom Leiden und Pathos der Trottaschen Selbstfindungsexerzitien im besonderen oder der deutschen Frauenkrisen im allgemeinen. Die von der Kamerafrau Elfi Mikesch oft genutzte Handkamera kokettiert zwar mit der naiven Authentizität eines Selbsterfahrungsberichtes: „Was ich in Hamburg und Kalifornien erlebte“, aber der Film „Die Jungfrauenmaschine“ versucht seine simple Geschichte weder als wahre und ergreifende Begebenheit zu verkaufen noch seine Oberflächlichkeit mit vorgetäuschtem Tiefsinn zu tarnen. Die Erlebnisse von Dorothee Müller bleiben eine Straßentheater-Ballade, eine unbekümmerte Parodie, vorgetragen mit einem exzessiven Laienspiel der Darsteller, das nie zu Identifikationen verführen will.

Dorothee jagt zuerst die romantische Liebe, sie sucht sie wie einen schwer zu identifizierenden Bazillus, ein materiell manifestierbares Ding. In die Hand nehmen lassen sich am Ende aber nur Susie Sexperts gepflegte Dildos - der Rest der Liebe entpuppt sich als durchaus verzichtbare Hirngeburt, zumal sie mehr Leiden als Lust verschaffen. Doch vor dieser Erkenntnis treibt Dorothee, hungrig nach Leidenschaft, Studien mit dem Fernglas am See, im Zoo, bei Hormonspezialisten und in Versuchen mit dem Bruder. Das Experiment, Gefühle aus zweiter Hand auf den eigenen Leib zu beschwören, wird dabei ebenso karikiert wie sämtliche Versuche, Sehnsüchte wissenschaftlich einzukesseln und über den Kopf zu neutralisieren. Dorothees Forschungen strafen sie mit Visionen: sie fühlt sich gefangen in einer durch den genetischen Kode auf die Ejakulation programmierten Welt, in der ihr selbst nur das permanente Abpumpen bleibt. Schon brodelt es bedrohlich in ihrer Badewanne hoch, da flieht sie über das Dach.

Ihren sumpfigen Alptraum besiegt erst Ramona - frisch einem TV-Spot entstiegen -, die in Stripshows nur für Frauen die sexuelle Akrobatik des Mannes parodierend, Bier aus dem stellvertretenden Flaschenschwanz spritzen läßt. Dorothee reißt die expressiv schwarz umrandeten Augen einer Stummfilmschönheit auf und himmelt Ramona an. Ramona läßt sich verschlingen und legt eine Rechnung vor. Im kalifornischen Paradies ist nichts umsonst.

Die romantische Liebe, sei es nun zwischen den Geschlechtern oder unter Frauen, läßt Monika Treut in den Wind schießen. Sie bemüht sich nicht um Betroffenheit oder Trauer ob einer lieblosen Welt. Sie setzt das Vergnügen und eine von Frauen regulierte und für sie bestimmte Sexindustrie als ein mögliches Ziel vor Augen. Es gibt bei ihr keinen unschuldig reinen lesbischen Kult - Hygiene waltet nur bezüglich der Gerätschaften. Auf die moralisch säuberliche Trennung von wahrer Liebe und kommerzieller Lust wird kein Wert gelegt. Die Ware Sex jedoch könnte auf eine Erlösung aus ihrer verschimmelten Trostlosigkeit hoffen. So verhält sich auch dieser Film zur Pornographie wie Schokoladeneis zu einer doppelten Portion Eisbein.

Katrin Bettina Müller

„Die Jungfrauenmaschine“ läuft ab 9. Februar im Sputnik.

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