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Europäischer Betriebsrat bei Gillette

■ Koordinierung deutscher, französischer und spanischer Gewerkschaften gegen die US-Konzernleitung

Annecy (afp) - Der erste gesamteuropäische Betriebsrat hat im Gillette-Konzern deutsche, spanische und französische Gewerkschafter zusammengeführt, die solidarisch gegen geplante europäische Werksschließungen der amerikanischen Leitung des Rasierklingenmultis kämpfen wollen. Bei dieser Europa-Premiere im Sozialbereich wurde am Montag und Dienstag in Annecy (Savoyen) ein Koordinierungskomitee unter dem Namen „Gisel“ (Gillette Intersyndicale Europeenne de Liaison) gegründet, an dem die IG Metall, die französischen Gewerkschaften CFDT und CGC sowie auf spanischer Seite die kommunistische CCOO, die sozialistische UGT und die anarchistische CNT teilnehmen. Delegierte des Werks in London (1.500 Beschäftigte) blieben nach CFDT-Angaben aus Angst vor Repressalien der Arbeitgeber dem Treffen fern. Bei der IG-Metall-Spitze stößt die europäische Koordinierung mit Beteiligung von Anarchisten und Kommunisten ebenso auf Vorbehalte wie beim Europäischen Metallarbeiterbund, der keinen Vertreter entsandte.

Mit Europafahnen als Kulisse diskutierten die Vertreter der drei Werke, darunter die beiden Berliner Betriebsratsvorsitzenden, über die Europastrategie von Gillette, eine gerechte Produktionsaufteilung und die Harmonisierung der Arbeitsbedingungen auf europäischer Ebene. So werden derzeit die Berliner Beschäftigten (1.220) am höchsten bezahlt. In Sevilla gibt es die längsten Arbeitszeiten bei den niedrigsten Löhnen. Die drei Delegationen haben sich für den Fall von Konflikten ihrer Solidarität versichert.

Die Partner wollen einen Informationsbrief in englischer Sprache über die Politik der örtlichen Firmenleitungen und Gewerkschaften bei Gillette herausgeben. Der in den letzten fünf Jahren beobachtete Abbau von Arbeitsplätzen in Berlin ( - 250), Sevilla (- 181) und Annecy (- 200) zeigt den „Gisel“ -Verantwortlichen zufolge, daß Rasierklingen, die 30 Prozent der Aktivitäten, aber 60 Prozent der Gewinne ausmachen, möglicherweise schon bald die einzige europäische Produktion des Konzerns sein werden.

Eine der „Gisel„-Initiatorinnen, die Berlinerin Maria Gomez, wertete das Treffen als einen Erfolg. Es werde der Konzernleitung in Boston (Massachusetts) zu denken geben, da sie vor allem eine negative Publizität für das Firmenimage fürchte. Das Verbindungskomitee wird sich in Berlin erneut treffen, auch, um den Engländern bei der Bildung eines Syndikats zu helfen.

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