piwik no script img

EG-Genossen für Ausländerwahlrecht

■ Europäische Sozialdemokraten fordern kommunales Wahlrecht für AusländerInnen / Richtlinie der EG-Kommission liegt schon vor / Schlappe für die Minister Zimmermann und Engelhard

Brüssel (dpa) - Die Sozialdemokraten und Sozialisten in der EG haben sich für die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer ausgesprochen. „Ausländische Arbeitnehmer, die eine gewisse Zeit in einem Land leben, sollen das Recht haben, in Städten und Gemeinden am politischen Leben teilzunehmen“, heißt es im Wahlmanifest von 14 sozialdemokratischen Parteien für die Europawahlen vom 15. bis 18.Juni.

Der SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel, der das Manifest am Freitag in Brüssel mit den Vorsitzenden der anderen Parteien erörterte, sagte: „Wir wollen übrigens auch die rasche Realisierung des gemeinschaftsweiten Kommunalwahlrechts für alle EG-Bürger.“ Dies sei „die richtige Antwort auf die Fremdenfeindlichkeit, die in manchen Ländern der Gemeinschaft - auch bei uns - nicht nur von radikalen Gruppen, sondern auch von konservativen Sprechern geschürt wird“. CDU und CSU hätten zu erklären, wie sie ihr Ja zu Europa mit ihrer Ablehnung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer in Einklang bringen wollen.

Die Brüsseler EG-Kommission hat schon im vergangenen Sommer einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der zumindest Staatsangehörigen von EG-Ländern das kommunale Wahlrecht innerhalb der Gemeinschaft zuspricht. Die in den Gründungsverträgen festgeschriebene Freizügigkeit für die Bürger der EG erfordere deren Integration in dem Aufenthaltsland ihrer Wahl, und dazu gehöre auch die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts auf kommunaler Ebene, steht da zu lesen.

Sollte die Richtlinie im zweiten Halbjahr 1989 unter französischer Präsidentschaft noch angenommen werden, würden der Grundsatz „EG-Recht geht vor nationales Recht“ gelten und die von Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann und Justizminister Hans Engelhard erhobenen Verfassungsbedenken gegen ein kommunales Ausländerwahlrecht mit der europäischen Gesetzgebung kollidieren. Die beiden Minister hatten sich entsprechend geäußert, als die Hansestadt Hamburg kürzlich das kommunale Ausländerwahlrecht beschlossen hat.

Der Richtlinienentwurf der Kommission gesteht Staatsangehörigen der EG das aktive kommunale Wahlrecht zu, wenn sie mindestens für die Dauer einer Wahlperiode in ihrem Gastland ansässig waren. Für das passive Wahlrecht ist der doppelte Zeitraum erforderlich. Das Europaparlament, das nächste Woche über den Bericht des SPD-Europaabgeordenten Heinz Oskar Vetter abstimmen wird, dürfte jedoch eine einheitliche Aufenthaltspflicht von fünf Jahren vorziehen. Dem Wähler würde hierbei die Entscheidung überlassen, ob er in seinem Heimatland oder an seinem Wohnort zur Urne geht. Ob sich ein Ausländer zur Wahl des Bürgermeisters stellen darf, darüber sollte dem Vorschlag zufolge jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden.

Gegen diesen Entwurf dürfte sich in einigen EG -Mitgliedsländern mit hohem Ausländeranteil beträchtlicher Widerstand regen. Frankreich und die Bundesrepublik beherbergen zu zweit die Hälfte der ausländischen Bevölkerung in der EG. Von den 336.000 Einwohnern Luxemburgs kommen 26 Prozent aus dem - zumeist europäischen - Ausland. Um ein Luxemburger Veto von vorneherein auszuschließen, billigt der Kommissionsvorschlag aber eine Aufschubregelung für Länder mit einem Ausländeranteil von über 20 Prozent. In der BRD beträgt der AusländerInnenanteil nach Angaben des Statistischen Jahrbuchs von 1984 7,4 Prozent; davon könnten dann 1,4 Millionen zumeist spanische, italienische und griechische Staatsangehörige - also 2,3 Prozent der Bevölkerung - aller Voraussicht nach etwa 1993 an Kommunalwahlen teilnehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen