Hamburger GAL auf neuem Kurs

Mitliederversammlung wählt drei Realos in den Landesvorstand / Berliner Wahlergebnis löste Umdenkprozeß aus / Rot-Grün ist kein Tabu-Thema mehr / Glückwünsche an die Berliner Alternative Liste  ■  Aus Hamburg Florian Marten

Ein starker und exponierter Realo-Block im frischgewählten Landesvorstand, eine realpolitisch dominierte Frauenfraktion in der Hamburger Bürgerschaft und erste Ansätze eines pragmatischen Bündnisses zwischen gemäßigten Fundis und Realos - die lange Zeit völlig gelähmte altehrwürdige Hamburger Grün-Alternative Liste (GAL) ist wieder in Bewegung geraten.

„Macht was Besseres daraus als das, was in Hamburg und Hessen gelaufen ist“ - die Glückwünsche der 300köpfigen GAL -Mitgliederversammlung am Samstag für Berlins Alternative Liste (AL) deuteten den Stimmungsumschwung bereits an: „Ökologische, soziale, demokratische und feministische Stadtpolitik“ - der Zusatz „gewaltfrei“ fand keine Mehrheit

-wünscht sich die GAL von „der parlamentarischen Mehrheit von SPD und AL in Berlin“. Mit dieser vorsichtigen Selbstkritik und Zustimmung zu Rot-Grün in Berlin setzte sich die GAL ein Stück von ihrer Verweigerungspolitik der letzten drei Jahre ab, welche die GAL intern und stadtpolitisch in die Krise gestürzt hat.

In Wahlstimmen ausgedrückt, fand sich der neue Kurs abends nach der Auszählung: Angeführt von Martin Schmidt (55 Jahre), zog eine dreiköpfige Gruppe harter Realos in den bislang immer fundamentalistisch dominierten 13köpfigen Hamburger Landesvorstand ein. Ein weiteres Schwergewicht setzten VertreterInnen einer neuen „linken“ Mitte, angeführt von der brillanten Energie-Expertin Erika Romberg (32 Jahre), die gerade aus der Hamburger Bürgerschaft rotiert.

Der Wunsch nach einem Grundkonsens, nach einem Flügelbündnis mit einer starken Mitte, die Lust auf eine an Inhalten und nicht an „Strömungen“ orientierten Streitkultur - sie prägten Redebeiträge und Abstimmverhalten.

Die neue Friedlichkeit und Offenherzigkeit des Umgangs miteinander fiel dem Landesparteitag um so leichter, als es in den letzten Wochen am linken und rechten Rand der GAL öffentlich bekundete innere Emigration gegeben hatte.

Mit der Erklärung „Ich halte die GAL nicht für reformierbar“ hatte sich das ehemalige GAL-Aushängeschild Thea Bock vorläufig aus der GAL-Politik verabschiedet. Gleichzeitig hat der Rückzug 40 selbsternannter „Linker“ in der GAL, die sich jetzt, statt ihre Kräfte im Parlamentarismus und Gremiengerangel zu vergeuden, wieder voll „den außerparlamentarischen Kämpfen gegen das imperialistische System“ widmen wollen, die innerparteiliche Diskussionsfähigkeit der Grün-Alternativen nicht unwesentlich erhöht.

Ob aus den neuen Ansätzen auch eine neue GAL wird, soll das Jahr 1989 zeigen. Flügelübergreifend wurde es zum „Schicksalsjahr“ für die GAL in Hamburg ausgerufen.