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Telepathie auf Bewährung

■ Schöffengericht verurteilte Hellseher zu vorsichtiger Berufsausübung / Wahrsagen erlaubt, garantierten Gewinn versprechen nicht / 155.000 Mark zurücküberwiesen

Dem Bremer Hellseher Dieter P. stehen fünf schwere Jahre bevor. So lange muß er bei der täglichen Berufsausübung nun genau darauf achten, daß er bei der Werbung für seine telepathischen Kräfte nicht zuviel verspricht. Sonst setzt er die Bewährung für eine 18monatige Haftstrafe aufs

Spiel, zu der ihn das Schöffengericht gestern wegen fortgesetzten Betruges verurteilte (vgl. taz vom 2. und 9.2.).

Einen ungewöhnlichen Tip für die Bewältigung der schweren Aufgabe gab Richter Ulrich Hoffmann dem Hellseher in der mündlichen Urteilsbegründung noch mit auf den Weg: „Je mehr Sie im Dunkeln lassen, desto weniger gefährlich für Sie.“ Gemeint war damit nicht etwa der gute Ratschlag, sich in Zukunft nicht mehr erwischen zu lassen, sondern Dieter P.s Anzeigentext, mit dem er in Regenbogen-Zeitschriften um KundInnen für sein Kartenlegen und Wahrsagen wirbt. „Hüten Sie sich vor Garantiezusagen“, warnte der Richter den Hellseher, der bislang zum Beispiel als „Gewinnzentrale Dieter P.“ bei Verwendung seiner geweissagten Lottozahlen „garantiert 99,9 Prozent Gewinn“ versprochen hatte.

Denn nach Auffassung des Gerichts darf zwar Omo verspre

chen, daß beim Gebrauch dieses Waschmittels „auch hartnäckige Flecken garantiert verschwinden“. Doch ein „Fernheiler“, „Hellseher“ und „Partnerzusammenführer“ darf seine unzweifelhaften Qualitäten nicht ebenso marktschreierisch anpreisen. Und das, obwohl Dieter P. von Telepathie sicher mehr versteht als Omo vom Flecken -Beseitigen.

Immerhin hatte es Dieter P. geschafft, eine einzige Kundin dazu zu bringen, ihm über 110.000 Mark für die Zusammenführung mit dem Berliner Schauspieler B. telegraphisch anzuweisen. Dabei kannte die Schweizerin von Dieter P. nicht mehr als eine Kleinanzeige in der esoterischen Zeitschrift „Neues Zeitalter“ und seine Stimme am Telefon und war doch völlig vom Motto des Hellsehers überzeugt: „Telegrafie gleich Telepathie.“

Drei ähnliche Fälle teurer Partnerzusammenführung hatte die Staatsanwaltschaft ebenso ange

klagt wie das Schicksal von knapp 20 Personen, die mit Dieter P. gerne Lotto-Millionär geworden wären, am Ende jedoch stattdessen einen Verlust von 500 Mark verbuchen mußten, weil den Gebühren für den Hellseher keine Gewinne gegenüberstanden. Auf gute 200.000 Mark summierten sich die Einnahmen aus den angeklagten hellseherischen Tätigkeiten allein im Jahr 1988.

Die Anklage wegen geweissagter Lotto-Zahlen ließ Staatsanwältin Angela Uhlig-van Buren im Lauf der Verhandlung jedoch wieder fallen. Schließlich werben ja sogar die staatlichen Lotto-Gesellschaften selber damit, daß man bei ihnen eine Million gewinnen könne. „Den Leuten muß auch die Freiheit gegeben werden, blöd genug zu sein, das zu glauben“, begründete sie in ihrem Plädoyer. In den Partnerzusammenführungen sah sie jedoch die „Ausnutzung einer menschlichen Ausnahmesituation“, die Kundinnen seien „in übelster Weise finanziell ausgeschlachtet worden.“ Sie forderte neben einer Bewährungsstrafe auch ein „Berufsverbot“ für Dieter P.

Mit diesem Ansinnen zeigte sich P.s Anwalt Erich Joester überhaupt nicht einverstanden: „Sie können ihm nicht jede Nische nehmen“, verteidigte er seinen Mandanten, der mehrmals vorbestraft ist und dem für seinen Beruf als Hellseher sogar vom Bewährungshelfer selber ein Gewerbeschein verschafft worden war.

Und was die finazielle Schädigung bei Dieter P.s telepathischen Partnerzusammenführungen anbelangt, schwenkte Joester stolz einen Packen Überweisungsquittungen. Noch am Morgen vor der Urteilsverkündung hatter er im Auftrag des Hellsehers insgesamt 155.000 Mark an alle Kundinnen des vergangenen Jahres zurücküberwiesen. Unabhängig davon, daß sie nun finanziell schadlos gestellt wurden, hatte Joester in seinem Plädoyer noch eine peinliche Frage für die Kundinnen: „Ist es wirklich so ganz legal, wenn sich jemand mit telepathischen Kräften einen Partner erkaufen will und damit dessen Familie unglücklich macht?“ Seine Erkenntnis aus dem Verfahren: „Wer nicht selber ein potentieller Betrüger ist, wird auch nicht auf Betrüger hereinfallen.“

Ase

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