„Auge um Auge“ in Nordirland

„Irische Volksbefreiung“ bekennt sich zu Anschlag auf Treffpunkt loyalistischer Paramilitärs / Vertreter aller nordirischen Parteien verurteilen den Anschlag / Eskalation der Gewalt befürchtet  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die „Irische Volksbefreiungs-Organisation (IPLO)“ hat sich zu dem Anschlag auf eine Kneipe in der protestantischen Shankill Road in Belfast bekannt, bei dem am Donnerstag fünf Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Der „Orange Cross Social Club“ gilt als Treffpunkt für loyalistische Paramilitärs. Am Donnerstag befanden sich jedoch überwiegend RentnerInnen in dem Club, als sich die drei Attentäter Zutritt verschafften. Die mit Pistolen bewaffneten IPLO-Männer zwangen die 30 Gäste, sich an der Bar aufzustellen. Dann eröffneten sie das Feuer. Zwei Frauen und drei Männer brachen unter dem Kugelhagel zusammen. Die Täter entkamen in einem gestohlenen Landrover, der später ausgebrannt in der Hochhaussiedlung „Divis Flats“ gefunden wurde. Die Divis Flats, ein Gebäudekomplex aus den sechziger Jahren, ist eine Hochburg der IPLO und der „Irischen Nationalen Befreiungsarmee“ (INLA). Die IPLO hatte sich 1987 nach einer blutigen Fehde, die 14 Menschen das Leben kostete, von der INLA abgespalten. Seitdem sind beide Organisationen zwar politisch bedeutungslos, machen aber immer wieder durch Attentate auf loyalistische Politiker, Paramilitärs und Zivilisten von sich reden.

Das Attentat vom Donnerstag wurde von Politikern aller nordirischen Parteien verurteilt. Sinn-Fein-Präsident Adams sagte, der Anschlag habe dem Kampf für die irische Freiheit geschadet. Er forderte die Organisation nochmals auf, sich aufzulösen. Die IPLO gab bekannt, daß sie den „Orange Cross Social Club“ angegriffen habe, um Rache für verschiedene Morde loyalistischer Organisationen an Katholiken zu nehmen. Die „Ulster Volunteer Force“ (UVF) und die immer noch legale „Ulster Defence Association“ (UDA) haben in diesem Jahr unter verschiedenen Tarnnamen bereits fünf Katholiken ermordet. Erst am Donnerstag bekannte sich die UVF zu dem Mord an dem Sinn-Fein-Bezirksverordneten Davey, der am Dienstag vor seinem Haus erschossen worden war. Es war das erste Mal, daß ein Bezirksverordneter in Nordirland ermordet wurde, obwohl es in der Vergangenheit bereits zahlreiche Mordversuche an Davey und anderen Sinn-Fein-Vertretern gegeben hatte. Ein Sinn-Fein-Stadtrat beschuldigte die nordirische Polizei, in den Mord an Davey verwickelt zu sein. Indizien hindeuteten daraufhin, daß Davey von einer Polizeistreife angehalten wurde, bevor er erschossen wurde.

Nordirische Politiker befürchten nach den Ereignissen in dieser Woche, daß die Gewalt eskalieren werde, zumal die UDA gestern erklärt hat, sie werde „diejenigen töten, die der IRA dienen, genauso wie die IRA diejenigen tötet, die den Sicherheitskräften dienen“.