: Wo lauert der Sexismus?-betr.: "Auftritt der Berliner Combo, Testbild Testers" am ISI, taz vom 8. bis 16.2.89
Betr.: „Auftritt der Berliner Combo 'Testbild Testers“ am ISI, taz vom 8. bis 16.2.89
Ich als Frau habe mich in meinem Schamgefühl verletzt gefühlt, daß dieser Adam (eckelig anzusehen) so völlig entblößt vor mir auf der Bühne stand.
Nera Silberhan, Berlin
Der Vorwurf der StudentInnen, die TBT verwendeten frauenfeindliche Elemente in ihrer Bühnenshow begründet sich in der Beanstandung der („spärlichen“) Bekleidung der Back -ground-Sängerinnen zum einen, ihrer Ausstrahlung auf der Bühne zum anderen. Das Auftreten von Frauen kann ohne Indizien wie Zwang durch Männer oder Anhaltspunkte in den Texten doch nur als frauenfeindlich gesehen werden, wenn man die Frau dem Mann eben nicht gleichstellt. Das ist zu Sexismus pervertierter Feminismus.
(...) Der Band Sexismus vorzuwerfen, muß einer vermauerten pseudo-feministischen Moral entspringen. Den Frauen in der Band wird damit der eigene Wille abgesprochen. Wenn auf dieser Basis von den Studentinnen Auftrittsorte als „Wichserschuppen“ bezeichnet werden, Konzerte gecancelt werden, und eine auf ungenauen und falschen Tatsachenberichten gestützte Hetzkampagne gegen die Band geführt wird, die Musiker aber „zum Diskutieren zu eklig“ sind, muß man das als faschistoide Methoden zur Musik- und Kunstzensur bezeichnen.
Man verzeihe mir als Musiker die abschließende Polemik: Wann findet die erste öffentliche Plattenverbrennung statt?
Sascha ?
Wenn ich schon sehe, wie Musiker an ihren Mikros rumlutschen. Pervers. Und ihre Gitarren halten und dazu mit den Hüften schwingen. Vulgär.
Und jetzt noch Busen und Schwanz zeigen. Ich finde, es reicht. Schluß mit dem Schweinkram. Zeit für saubere Rockmusik, steril und androgyn. Jawoll.
Klaus-Bärbel
Es ist total frustrierend zu sehen, welche intolerante Verklemmtheitsfraktion sich im besetzten OSI eingeschlichen hat und den Namen von Ingrid Strobl mißbraucht, die sich dazu nicht äußern kann. Es ist Zeit, daß sich jetzt die Gegenbewegung aller Menschen formiert, die Lust am Körper und am Sex haben, die gerne ihren Schwanz und ihre Möse streicheln und die ganz selbstverständlich auch Geld verdienen müssen für ihren Lebensunterhalt. Es ist doch keiner gezwungen, sich deren Shows und Spektakels anzusehen und dafür zu bezahlen. Aber alle, die das wollen, haben das Recht dazu. (...)
Erinnert Euch auch an 1933 als militante Nazis das Magnus -Hirschfeld-Institut für Sexualwissenschaft zerstörten, die Bücher verbrannten und die Wissenschaftler ermordeten oder vertrieben.
Kurt Hartmann, AL-Mitglied im Schwulenbereich
(...)In den Artikeln und Flugis, die von den Studentinnen des ISI anläßlich des Auftritts der TBT herausgegeben werden, werden (paradoxerweise aus feministischem Anliegen) Musikerinnen zu „Go-Go-Girls“ und „halbnackten/nackten Frauenkörpern“ degradiert. - Kein Wort über musikalische Qualitäten.
Uns stellt sich die Frage: Wie verhält Frau sich als Musikerin „richtig“ und welche Kleidung darf Frau wählen um nicht als Go-Go-Girl abgestempelt zu werden.
Wir fordern Freiheit für Musikerinnen und daß Frauen endlich machen können, was sie wollen. Sexismus ist Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
HÄWI Mädels
James Joyce‘ Ulysses galt als pornografisch, ebenfalls Naked Lunch von W.S. Burroughs. T.S. Eliot, Ezra Pound und Gottfried Benn ga/elten als zumindest vom Faschismus berührt - um nur einige zu nennen. Im vergangenen Winter wurden in Berlin mehrere Kinos auseinandergenommen, weil sie „Pornos“ zeigten. (...) Die Zeitung der Philosophen 'Minerva‘ wird von Buchhändlern zurückgehalten, weil sie „obszön“ sei.
Die taz selbst hat im vergangenen Jahr ihre fähigsten Autoren (zumindest was den Durchblick im Kulturbetrieb betrifft) verloren - weil sie „sexistisch“, „antisemitisch“ und „rassistisch“ wären. Die großartigen Cartoons von Elisabeth Kmölniger verschwanden nach ihrer Weihnachtsbeilage aus der taz, jetzt dürfen wir sie wieder sehen, der Comic dreht sich irgendwie um Gentechnik, das also darf sie.
Nun tritt die Gruppe Testbild-Testers an, um Abbitte zu leisten - und ich hatte immer gedacht, es würde heißen, „Sex, Drugs und Rock'n'Roll“ - wobei solche Fragen wie „Stimmt es, daß ihr spärlich bekleidet auf der Bühne tanzt?“ zu beantworten haben. Am nächten Tag sagt eine Studentin des „Ingrid-Strobl-Institut“ (dieser archaische Glaube, durch Namensfixierung die Welt in den Griff zu bekommen), „wenn diese Band in Zukunft auftritt, dann ist das kein Szeneladen, sondern ein Wichserschuppen“ - und ich mich natürlich frage, ob „wichsen“ in Zukunft auch untersagt ist.
Ich bin weder zutiefst erschreckt, noch wirklich betroffen von diesen Vorgängen, sondern wende mich ob solcher Unfähigkeiten, in einer wegen ihrer Vernetzung zunehmend komplexer werdenden Welt, ebenso zu denken und handeln, angeekelt ab.
„Jeder Mensch hat das Recht, dumm zu sein, aber manche Leute mißbrauchen dieses Privileg.“ (Josef Stalin)
Rudolf Stoert, Berlin 65
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