: „Eher bringe ich mich um“
■ Solidarität mit Abschiebehäftlingen / Hungerstreik gegen die zermürbenden Haftbedingungen / Gespräch mit einem Kurden im Knast
Die Lautsprecher durften nicht in Betrieb genommen werden. Da die Veranstaltung nur eine kleine Gruppe umfasse, seien technische Hilfsmittel dieser Art nicht nötig, teilte der zuständige Beamte mit. Also schwiegen die Membranen, statt dessen wurde Solidarität mit den Hungerstreikenden im Abschiebeknast Kruppstraße mit stimmgewaltigem Chor bekundet. Etwa 50 Leute waren Donnerstag nachmittag dem Aufruf von Aktion Fluchtburg, Asyl e.V. gefolgt, gegen die Asyl- und Abschiebepolitik des Senats zu protestieren. Auf einer Kurzkundgebung auf dem Breidscheidtplatz informierten Mitglieder von Aktion Fluchtburg und Asyl e.V. über die Verfolgung der Kurden in der Türkei und die aktuelle Situation der von Abschiebung bedrohten Inhaftierten in Berlin.
Zur Zeit sitzen 55 Gefangene in Abschiebehaft in der Kruppstraße. Einige davon befinden sich seit dem 16. Februar im Hungerstreik, um auf die zermürbenden Haftbedingungen, lange Haftdauer und die täglich drohende Abschiebung aufmerksam zu machen.
Über die Zahl der Hungerstreikenden herrscht indes Uneinigkeit: das Pressereferat des Innensenats teilte mit, es handele sich um drei Hungerstreikende, während die Aktion Fluchtburg von zehn ausgeht. Der Vertreter des Pressereferenten, Buschendorf, vermittelte den Eindruck der Gefängnisbeamten weiter, daß der Hungerstreik eher ein symbolischer sei. Angeblich sollen sich die Inhaftierten von Mitgefangenen und Besuchern mit Nahrungsmitteln versorgen lassen.
Wir hatten die Möglichkeit, mit einem der hungerstreikenden kurdischen Abschiebehäftlinge ein Gespräch zu führen. Cafer Kotlu (34) sitzt seit knapp zwei Monaten in der Kruppstraße ein. Da sein Asylfolgeantrag abgelehnt wurde, hat seine Rechtsanwältin beim Verwaltungsgericht Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Wird dieser abgelehnt, kann Kotlu täglich in die Türkei abgeschoben werden.
taz: Wie uns der Innensenat mitgeteilt hat, haben die Gefängnisbeamten den Eindruck, euer Hungerstreik sei symbolisch. Ihr würdet euch von Besuchern mit Nahrungsmitteln versorgen lassen...
C. Kotlu: Das stimmt nicht. Die versuchen den Hungerstreik kaputtzumachen. Ich nehme seit dem 16. Februar nur Wasser und Nikotin zu mir. Mit mir sind sechs weitere Abschiebehäftlinge im Hungerstreik: noch zwei Kurden und vier aus arabischen Ländern.
Wie ist dein Gesundheitszustand?
Ich habe ein Nierenleiden. Seit Beginn des Hungerstreiks haben sich die Schmerzen trotz medikamentöser Behandlung verschlimmert. Außerdem habe ich durch das Hungern starke Magenschmerzen. Aber ansonsten fühle ich mich körperlich gut. Es ist auch nicht mein erster Hungerstreik. Schon nach Kemal Altuns Tod habe ich über 20 Tage keine Nahrung zu mir genommen, um zu protestieren.
Wie sind die Haftbedingungen?
Vor dem Hungerstreik waren wir zu siebt untergebracht. Jetzt teile ich eine Zelle mit einem anderen Kurden, Rami Aydimir, der auch im Hungerstreik ist. Bei der Einlieferung wurde ich ziemlich brutal behandelt, als mir Handschellen angelegt wurden. Was die Gefängnisbeamten angeht, kann man das nicht generell sagen: es gibt solche und solche... Kontaktmöglichkeiten zu Mitgefangenen gibt es kaum, höchstens eine halbe Stunde täglich im Hof.
Wie siehst du eure Erfolgschancen?
Ich glaube, daß wir es schaffen. Wir haben auch viel Unterstützung von Außen, Kontakte zu amnesty, den Kirchen, der AL.
Was erwartet dich, wenn du in die Türkei abgeschoben wirst?
Gefängnis und Folter. Ich war türkischer Beamter und in verschiedenen Berufsorganisationen engagiert. Außerdem war ich Sympathisant der kommunistischen TKPML, habe Flugblätter für sie verteilt. Aber es reicht schon aus, Demokrat zu sein, um ins Gefängnis zu wandern.
Wie lange wirst du den Hungerstreik aufrechterhalten?
Bis zu unserer Freilassung. Ich verstehe sowieso nicht, warum wir hier in der Abschiebehaft sitzen. Es ist doch bekannt, was mit Kurden in der Türkei passiert. Ich gehe auf garkeinen Fall zurück in die Türkei. Eher bringe ich mich um.
NOK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen